Mit Vranjes bis zum Saisonende

Analyse/SG Flensburg-Handewitt

Thomas Bleicher
30. Mai 2017, 09:26 Uhr

Hat nach der Niederlage kaum geschlafen: SG-Cheftrainer Ljubomir Vranjes (links). Rechts neben ihm sein Co-Trainer und baldiger Nachfolger Maik Machulla. (Foto: Axel Heimken, dpa)

Flensburg. Wehmut, Enttäuschung, Resignation. Die gesamte Handball-Familie der SG Flensburg-Handewitt trauert um die sehr wahrscheinlich verpasste Chance auf den zweiten Titelgewinn in der Geschichte des Handball-Bundesligisten. Was am vergangenen Sonntag ein Triumphzug der Stärke werden sollte, endete nach dem 21:23 (11:13)gegen Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen (wir berichteten) in Tristesse.

»Es war eine kurze Nacht, ich habe kaum geschlafen sondern die ganze Zeit überlegt, woran es gelegen hat und was man hätte anders machen können«, sagte Ljubomir Vranjes am Montag vor dem Training.
Genau wie die Spieler, die nach und nach - immernoch mit versteinerten Mienen - auftauchten, war Vranjes sehr angefasst. Auf die Frage, ob er nach dem verpassten Pokal-Titel, dem Aus im Vierteflinale der Champions League und jetzt der verpassten Meisterschaft ans Aufgeben gedacht habe, sagte er: »Nein, ich lasse die Mannschaft nicht im Stich. Wenn aber der Beirat der Meinung ist, dass es besser ist die letzten drei Spiele ohne mich zu bestreiten, dann müssen sie mir das sagen.« 

Boy Meesenburg: »Das mache ich nicht mit«

SG-Beiratsvorsitzender Boy Meesenburg. (Foto: Tim Riediger)

Der Beirat ist aber nicht dieser Meinung. »Der Verein denkt nicht daran den Trainer freizustellen«, so Boy Meesenburg. Der Beirats-Vorsitzende weiter: »Drei Spieltage vor Saisonende hätte das keinen Effekt und außerdem mache ich das nicht mit, das ist nicht die SG.« Im Internet hatten einige Fans eine sofortige Beurlaubung von Vranjes gefordert und dem Trainer die alleinige Schuld für die vermutlich zweite titellose Saison in Folge gegeben. »Weil einige Fans das fordern müssen wir das noch lange nicht machen, so einfach ist es nicht«, so Meesenburg, der aber auch sagte: »So sehr Ljubo für uns alle der Wunder-Trainer war, so sehr ist er auch mitverantwortlich für die Nicht-Wunder die es jetzt gegeben hat. Ich bin doch sehr enttäuscht vom Auftreten der Mannschaft, die in diesem Jahr in den wichtigen Spielen im Pokal, der Champions League und auch jetzt den nötigen Killerinstinkt hat vermissen lassen.« Meesenburg ergänzte abschließend: »Wir müssen die richtigen Schlüsse für die Zukunft ziehen, denn den Meisterschafts-Traum wollen wir nicht auf ewig weglegen.«

Erklärungsversuche

Für Vranjes, der im Sommer bekanntlich nach Ungarn zur Nationalmannschaft des Landes und zum Top-Club nach Veszprem wechselt, ist er allerdings mit großer Sicherheit vorbei. »Es ist hart für mich, weil ich im Sommer gehe«, so der Schwede, der hinzufügte: »Ich habe mir die Meisterschaft für die SG so sehr gewünscht, schließlich haben wir wieder eine fantastische Saison gespielt.« 
»Wir sind sehr enttäuscht«, sagte auch Dierk Schmäschke am Montag. »Wir haben auch alles Recht dazu, denn die Enttäuschung sitzt bei allen tief, bei Spielern, Trainern und den Fans.« Auch beim Geschäftsführer der SG, der eingestand, dass er zu dieser Niederlage zunächst »Abstand« gewinnen müsse. Eine Nacht Schlaf hatte da noch nicht allzu viel geholfen. »Es fällt schwer, Antworten zu finden. Hinterher ist man immer schlauer, aber wir müssen einfach sagen: die Löwen waren besser, da gibt es nichts zu beschönigen«, so Schmäschke. »Wir haben zwei Jahre darauf hingearbeitet Meister zu werden. Jetzt war das Buffet angerichtet, aber wir haben es nicht abgeräumt«, sagte der Manager weiter. 

Schmäschke: Es war ein Rückschritt«

»Es war ein Rückschritt. Wir können immer noch Meister werden, aber sind jetzt auf andere angewiesen. Und dass die Löwen noch zwei Spiele verlieren ist eher unwahrscheinlich.« 

Für den Fall der Fälle, dass die Löwen doch noch patzen (Kiel, Wetzlar, Melsungen), müssen die Flensburger (Göppingen, Balingen, Wetzlar) bereit sein.
So recht glauben mag man daran aber nicht. Flensburgs französischer Weltmeister Kentin Mahé sagte: »Ich bin Optimist. So bin ich geboren und erzogen worden. Aber drei Punkte Rückstand sind echt viel.« Zumal sein Team wie gegen die Löwen personell bis zum Ende geschwächt ist. Linkshänder Johan Jakobsson kann nur noch mit halber Kraft spielen. Ein Bruch des Handwurzelknochens in der rechten Hand behindert den Schweden deutlich. »Wir müssen die Saison seriös zu Ende bringen«, forderte der andere verletzte Linkshänder Holger Glandorf.
Zur Maßnahme Jakobsson zunächst nur auf der Bank zu lassen sagte Vranjes: »Der Weg zum Wechseln wäre zu weit gewesen«. Flensburg spielte in der ersten Hälfte so, dass der rechte Rückraum am weitesten von der eigenen Bank entfernt war. Zur Personalie Mark Bult, der gar nicht im Kader war, ergänzte Vranjes: »Ich habe mich für die Spieler entschieden, die in meinen Augen die höchste Qualität gegen die Löwen hatten.«

Wie eine Droge

Allein: sie konnten es nicht wie geplant umsetzen. »Ich liebe solche Spiele, für mich sind diese Partien wie eine Droge, aber nicht alle mögen solche Spiele«, grübelte Vranjes darüber nach, ob sein Team vielleicht unter dem Druck des Meister-Traums zusammengebrochen ist. Eine Antwort hatte er nicht. Er wusste aber, dass der Ausfall von Glandorf nach der Verletzung von Jakobsson »teuer« war. Mit einem letzt Funken Hoffnung in den Augen sagte Vranjes: »Wir fahren nach Göppingen und werden es so angehen, dass wir noch Deutscher Meister werden können. Mental wird es schwer für die Jungs und die Chance ist nicht riesig, aber wenn die Löwen ausrutschen müssen wir da sein«. 

Dansk resume

Nederlaget mod Rhein-Neckar Löwen knuste mesterskabsdrømmen for Henrik Toft Hansen og hele SG-holdet. En lille teoretisk chance er dog stadig tilbage. (Foto: Axel Heimken, dpa)

Også dagen derpå var hele håndbold-familien i SG Flensburg-Handewitt skuffet. Weekendens nederlag mod Rhein-Neckar Löwen knuste mesterskabs-drømmen, og i går måtte SGerne slikke sårene. Men det var svært, indrømmede de ansvarlige. En lille teoretisk chance er stadig tilbage, men alle vurderer det som meget urealistisk, at Nikolaj Jacobsen og sydtyskerne smider deres forspring.


Ruwen Möller