UPDATE: Derber Rückschlag im Titelkampf

Handball

10. Dezember 2017, 16:35 Uhr

Holger Glandorf ist mit seiner SG gegen den THW abgestürzt. (Foto: Lars Salomonsen)

Flensburg. Es bleibt dabei, die SG Flensburg-Handewitt kann in dieser Saison nicht gegen den THW Kiel gewinnen. Nach dem Remis und der Niederlage in der Champions League ging am Sonntag auch das Bundesliga-Spiel in der mit 6300 Zuschauern ausverkauften Flens-Arena verloren. Am 16. Spieltag unterlag die SG im 96. Landesderby mit 27:35 (16:19). Damit verpasste die SG zwei wichtige Zähler im Kampf um die Tabellenspitze.

Spitzenreiter sind jetzt wieder die Füchse Berlin, die mit 32:29 gegen die MT Melsungen gewannen. Neuer Zweiter sind die Rhein-Neckar Löwen. Der Deutsche Meister setzte sich souverän mit 26:18 gegen Ludwigshafen durch. Die SG ist auf Platz drei abgerutscht.

Anders Eggert gab vor dem Spiel Autogramme. (Foto: Ruwen Möller)

»Es war ein absolut verdienter Sieg für den THW«, so Maik Machulla, der als SG-Coach noch auf seinen ersten Derbyerfolg wartet. »Ich bin sehr enttäuscht über das Ergebnis und über die Anfangsphase. Es ist mir unerklärlich warum so schwach starten und keinen Zugriff auf den THW-Angriff haben.« Machulla hatte nach dem Abschlusstraining und vor dem Anpfiff eigentlich ein gutes Gefühl. »Es war alles angerichtet für uns«.
In der Tat mit Anders Eggert, Johan Jakobsson und Michael V. Knudsen waren gleich drei ehemalige SG-Spieler angereist, um sich das Mutter aller Derbys anzuschauen. 
Eggert schrieb vor dem Anwurf am SG-Fanshop fleißig Autogramme in das neue dänische Buch "Grænseløs lidenskab" über die SG. Und Knudsen war am Vormittag als Coach einer Jugend-Mannschaft von seinem jetzigen Verein, BSV Bjerringbro-Silkeborg, zu einem Testspiel gegen die U14 der SG angetreten. Die Dänen gewannen und vor dem Anwurf des Derbys sagte Knudsen daher: »Wir haben die SG geschlagen, aber jetzt, gegen Kiel darf der Sieg ruhig in Flensburg bleiben«. Der Wunsch des ehemalige Kreisläufers wurde allerdings nicht erhört.
Zudem waren auch die beiden Norweger Magnus Jøndal und Gøran Søgard Johannessen, die im kommenden Sommer zur SG wechseln, erschienen. Mit Filip Jicha und dem Dänen Kasper Søndergaard war weitere Handball-Prominenz anwesend.
Und auch die Medien hatten groß augeftischt. Der NDR und Sky übertrugen die Partie live und in den Katakomben hatte Stefan Kretzschmar bereits sein Sofa für die anschließende Talk-Runde bereitgestellt. Hier waren nach Spielende u.a. SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke und Jicha zu Gast.
Es schien jedoch von Beginn an, als würde Flensburg unter der großen Last von Vorfreude, Anspruchshaltung und Druck zusammen zu brechen.

Auch Michael V. Knudsen (l.) war zu Besuch beim Derby. (Foto: Lars Salomonsen)

Genau wie im Champions-League-Duell (30:33) vor zwölf Tagen kassierte die SG zu Beginn jede Menge Gegentore nach Tempogegenstößen, weil sie im Angriff große Probleme hatte, den Ball an Gäste-Keeper Niklas Landin vorbeizubringen. Weil zudem der Defensive die nötige Aggressivität fehlte, stand Mattias Andersson im eigenen Tor ständig auf verlorenem Posten. Das Ergebnis: Nach der 3:2-Führung (5.) kassierte die SG einen 0:8-Lauf und lag nach 14 Minuten 3:10 hinten.
»Wir wollten zu viel«, analysierte Machulla. »Plötzlich war es eine Kopfgeschichte, aber es war immer noch genug Zeit.«
Beim 4:11 (15.) und 10:17 (24.) lagen die Gastgeber ebenfalls mit sieben Treffern hinten. Schuld daran waren u.a. auch zwei vergebene Siebenmeter. Kentin Mahé warf übers Tor und Rasmus Lauge scheiterte an Andreas Wolff, traf allerdings im Nachfassen. Überhaupt war es Lauge, der die SG mit seinen Treffern (sechs im ersten Durchgang) im Spiel hielt. Mit seinem Teamkollegen kämpfte sich der Däne in die Partie. Der Torwartwechsel zu Kevin Møller trug ebenfalls dazu bei, dass es zur Pause nur noch drei Tore Rückstand (16:19) waren.
»In der Halbzeit haben wir besprochen, dass immer noch genug Zeit ist, wir aggressiver sein müssen und kommen dann auch nochmal ran. Leider machen wir einen technischen Fehler, als wir die Chance haben, auf ein Tor zu verkürzen«, ärgerte sich Machulla.
Im zweiten Durchgang keimte tatsächlich ernsthafte Hoffnung auf, dass die SG das Spiel drehen könnte, als sie auf 22:24 (42.) verkürzte. Aber in dieser Entscheidenden Phase konnte der THW wieder zulegen. »Da sind wir zum Glück ruhig geblieben«, so ein »stolzer« THW-Trainer Alfred Gislason. Immer wenn Møller einen Ball hielt, tat Wolff es ihm gleich und so kamen die Hausherren nicht dichter ran. Im Gegenteil. Im Angriff produzierte Flensburg eklatante und so selten gesehene Fehler. Der THW hatte leichtes Spiel und führte die Hausherren in manchen Szenen vor. Im Angesicht der drohenden Niederlage agierte die SG zunehmend »Kopflos«, wie Machulla sagte.

»Am Ende wollen wir zu viel, sind zu wild und werfen viele Bälle weg. Der THW macht es in der Phase gut, aber es ist dramatisch, dass wir so hoch verlieren, darüber bin ich sehr enttäuscht.«
Rasmus Lauge, mit sieben Toren bester SG-Schütze fasste die Partie sehr treffend zusammen: »Der THW war die bessere Mannschaft - auch wenn es mir leid tut, das sagen zu müssen. Unser Rückzugs-Verhalten war eine Katastrophe, so peinlich habe ich das in Flensburg noch nie erlebt. Dass der THW hier zehn bis zwölf Gegenstöße laufen darf, geht einfach nicht.«
Sein Teamkollege Holger Glandorf richtete den Blick bereits nach vorne: »Wir machen vorn zu viele Fehler und kommen dann nicht schnell genug zurück. Trotzdem kommen wir wieder auf zwei heran, um dann den THW selbst wieder einzuladen, wegzuziehen. Das tut weh, wir müssen uns jetzt auf die ausstehenden drei wichtigen Spiele konzentrieren.«
Zunächst muss die SG am kommenden Sonntag in Wetzlar und vier Tage später in Mannheim bei den Rhein-Neckar Löwen antreten. Am 26. Dezember gastiert die TSV Hannover-Burgdorf in Flensburg. Es warten also noch drei Spiele bis zur Winterpause in den Flensburg den Derby-Rückschlag verarbeiten und sich im Titelkampf wieder in eine bessere Position bringen kann.

Ruwen Möller

Statistik

Dierk Schmäschke, hier im Gespräch mit seinem THW-Kollegen Thorsten Storm (r.), war am Sonntag zu Gast im Talk von Stefan Kretzschmar. (Foto: Lars Salomonsen)

SG Flensburg-Handewitt: Andersson, Møller – Karlsson, Glandorf 5, Mogensen, Svan 5, Wanne 3, Jeppsson 3/1, Steinhauser n.e., Heinl n.e., Zachariasson 1, Toft Hansen, Lauge 7, Mahé 3, Gottfridsson n.e.
THW Kiel: Landin, Wolff – Duvnjak 4, Toft Hansen 1, Firnhaber 1, Weinhold 2, Dissinger 1, Wiencek 5, Ekberg 8/3, Zeitz, Frend Öfors, Rahmel n.e., Dahmke 2, Zarabec 2, Vujin 4, Nilsson 4
Schiedsrichter: Geipel/Helbig
Zuschauer: 6300 (ausverkauft)
Siebenmeter: 3/1:4/3 (Mahé, Lauge, Jeppsson verwerfen – Møller hält gegen Ekberg)
Zeitstrafen: 1:3 (Toft Hansen – Wiencek, Dahmke, Toft Hansen)