Norwegen mächtig unter Druck

Handball

24. Januar 2018, 09:20 Uhr

Norwegens Torwart Torbjørn Bergerud, ab Sommer 2018 bei der SG Flensburg-Handewitt unter Vertrag, ist bislang nicht in EM-Form. (Foto: Ludvig Thunman, dpa)

Zagreb. »Wir müssen mit fünf Toren gewinnen und hoffen, dass Frankreich Kroatien schlägt, dann sind wir im Halbfinale«, sagt Magnus Rød und bringt die Ausgangslage seiner Noweger vor dem entscheidenen Hauptrunden-Spiel bei der EM gegen Schweden (Mittwoch, 18.15 Uhr/www.sportdeutschland.tv) auf den berühmten Punkt. Dies ist die einzige Konstellation, bei der Norwegen wie vor zwei Jahren erneut das Semifinale erreicht. Dann hätten Norwegen, Schweden und Kroatien sechs Punkte, es käme zum Dreier-Vergleich und um hier das Beste Team zu sein, müssen Rød und Co. einen Fünf-Tore-Sieg herauswerfen. 

Es ist nicht unmöglich, denn Norwegen stellt die stärkste Offensive bei diesem Turnier (163 Tore, Stand Dienstag Vormittag). Allerdings haben die Nordmänner auch mit die schwächste Abwehr bzw. ein kleines Torwartproblem. Ausgerechnet die bei den letzten Turnieren überragenden Torbjørn Bergerud und Espen Christensen sind diesmal nicht in Form. 

»Ich kann nur Entschuldigung sagen, das war einfach zu schlecht«, hatte Bergerud, der im Sommer zur SG Flensburg-Handewitt wechselt, nach der 28:32-Niederlage gegen Kroatien gegenüber dem norwegischen Fernsehsender »TV 3« gesagt. In dem Spiel kam er nur auf eine Rettungsquote von 28 Prozent. Als guter Wert werden im Welthandball gerne 40 Prozent genannt. Der kommende Gegner, Schweden, stellt mit Mikael Appelgren (38 Prozent) und Andreas Palicka (35) das stärkste Duo des Turniers. Die schwedische Zeitung »Aftonbladet« hat zum Skandinavien-Kracher vorgerechnet, dass in 24 von bislang 33 EM-Spielen (Stand vor Schwedens 29:20-Sieg gegen Weißrussland am Montag) die Mannschaft gewonnen hat, die das Torwart-Duell für sich entschieden hat. Wenn Norwegen die Schweden um das Flensburg-Trio Jim Gottfridsson (3 Tore gegen Weißrussland), Simon Jeppsson (2) und Hampus Wanne (4) schlagen will, muss auf der Torwartposition eine Leistungssteigerung her. Dass sich auch Rød steigern muss, lässt sich nicht unbedingt sagen, dafür hat der Linkshänder bislang einfach zu wenig gespielt. In fünf EM-Spielen hat er nur 17 Minuten auf dem Parkett gestanden. Dabei hat er bei zwei Wurfversuchen zwei Tore erzielt, also eine einhundertprozentige Quote. »Ich habe bei diesem Turnier die Rolle des Reservisten und das ist in Ordnung. Ich bin noch jung und es ist erst mein zweites großes Turnier (zuletzt war Rød bei der WM 2017 dabei/Red.), daher habe ich mich damit abgefunden«, sagt Rød ohne Groll. Auf seiner Position im rechten Rückraum spielt vor allem Kent Robin Tønnesen (Veszprém) bislang ein starkes Turnier und mit Harald Reinkind von den Rhein-Neckar Löwen ist auch noch ein dritter Linkshänder dabei. Deutlich mehr zum norwegischen Angriffsspiel beigetragen haben zwei weitere SG-Neuzugänge, Magnus Jøndal und Gøran S. Johannessen. Jøndal hat bereits 15 Tore erzielt und Johannessen 14. Beide kommen im Sommer vom dänischen Erstligisten GOG nach Flensburg.

Johannessen stark

Magnus Rød. (Foto: Beate Haar)

Vor allem Johannessen hat in den ersten Partien beeindruckt. Bei Jøndal wird dagegen auch ein Problem der Norweger sichtbar. Sie werfen viele Tore, lassen aber immer noch viele Chancen aus. So hatte Jøndal bei der WM vor einem Jahr noch eine Trefferqoute von 78 Prozent und liegt jetzt bei nur noch 52 Prozent. Gegen Frankreich und auch Kroatien kostete Norwegen die mangelhafte Chancenverwertung und die Niederlage im Torwart-Duell die Punkte. »Wenn wir gegen Frankreich nur einen Punkt geholt hätten, wären wir jetzt nicht in dieser Situation«, so Rød, dessen Team gleich im ersten EM-Spiel, in der Neuauflage des WM-Finale von 2017, erneut gegen Frankreich unterlag. Damit gerieten die Norweger von Anfang an unter Druck und am Ende könnte sie die Anfangspleite das Halbfinale kosten. »Es sind nun mal Kleinigkeiten die entscheiden, ob man das Halbfinale erreicht oder nicht. Der große Unterschied zur WM ist, dass bei der EM eine noch größere Leistungsdichte herrscht. Doch selbst wenn wir am Ende möglicherweise nur um Platz fünf spielen, wäre das immer noch ein großer Erfolg. Wir sollten nicht vergessen, dass wir vor wenigen Jahren überhaupt nicht in der Weltspitze dabei waren.« Und die Norweger haben neben möglichen Medaillen noch ein weiteres Ziel für sich ausgemacht. »Wir wollen gegen Schweden gewinnen, um eine Chance aufs Halbfinale zu haben, aber wir wollen auch gewinnen, um am Ende wenigstens um Platz fünf spielen zu können. Als Fünfter können wir uns direkt für die WM 2019 qualifizieren«, so Rød. Neben den Gastgebern Dänemark und Deutschland sowie Titelverteidiger Frankreich qualifizieren sich bis maximal vier Teams direkt über die EM und hier könnte Norwegen noch dabei sein.

Jakobsson verletzt

Viel lieber wäre Rød allerdings nach WM-Silber im Vorjahr eine weitere Medaille. Doch die wollen auch die Schweden, mit vier Titeln immer noch Rekord-Europameister, aber seit dem vierten und letzten Titel 2002 nicht mehr auf dem Treppchen. Der ehemalige Flensburger Johan Jakobsson kommt allerdings nicht mehr zum Einsatz. Er hat sich im Spiel gegen Frankreich verletzt und wurde am Dienstag durch Viktor Östlund ersetzt.


Ruwen Möller