Der große Umbruch

SG Flensburg-Handewitt

Thomas Bleicher
09. März 2018, 10:30 Uhr

Die »alte« und »neue« SG Flensburg-Handewitt im Überblick. (Grafik: Eyla Boysen)

Flensburg. Veränderungen gehören im Sport dazu. Es gehört auch dazu, dass damit nicht immer alle einverstanden sind. Aber so ist es überall auf der Welt, auch bei der SG Flensburg-Handewitt, wo Tradition und Vereinstreue zwar hohe Güter sind, jedoch nicht vor den ganz normalen Mechanismen der Sportwelt schützen. 

So begann im Sommer 2017 ein Umbruch, der in diesem Jahr einen heftigen Höhepunkt erfahren wird und 2019 abgeschlossen sein dürfte. Im letzten Sommer verließen mit Trainer Ljubomir Vranjes und Klublegende Anders Eggert zwei Akteure den Verein, die diesen elf Jahre lang (Eggert mit einem Jahr Unterbrechung als er an Skjern ausgeliehen war) prägten. 
Hinzu kamen die Abgänge von Johan Jakobsson, Petar Djordjic und Bogdan Radivojevic. 
Mit Maik Machulla wurde der Co- zum Cheftrainer befördert und er bekam mit Magnus Rød, Simon Jeppsson und Marius Steinhauser drei neue Akteure ins Team - an dessen Verpflichtung wohlgemerkt sein Vorgänger noch kräftig mitgewirkt hatte. 

Heinl geht nach 24 Jahren

Mark Bult wechselte zudem das Spielertrikot mit dem Polo-Hemd und ist seither Assistent von Machulla. Im Sommer 2017 war zudem bereits klar, dass Kentin Mahé (nach Veszprém) und Kevin Møller (Barcelona) die SG ein Jahr später verlassen würden und dass viele weitere Verträge auslaufen. 

Thomas Mogensen war noch vor Saisonstart der nächste, der seinen Abgang ankündigte. Er wechselt zu Skjern Håndbold in Dänemark. Mattias Andersson hat inzwischen mitgeteilt, dass er seine Karriere beendet und Torwarttrainer im Nationalteam Österreichs wird. Im Winter wurde der Abgang von Henrik Toft Hansen (Paris) bekannt. Vor einigen Wochen folgte die Meldung, dass Jacob Heinl nach 24 Jahren bei der SG keinen neuen Vertrag mehr bekommt. Wohin er geht ist noch offen. Nach unseren Informationen gab es in Veszprém kurzzeitig Überlegungen, Heinl zu verpflichten. 
Am Ende nahmen die Magyaren Abstand davon und holten René Toft Hansen vom THW Kiel. Apropos Veszprém. Dort ist Vranjes mittlerweile Trainer und sein neuer Verein hat Anfang der Woche SG-Spielmacher Rasmus Lauge ab 2019 unter Vertrag genommen (wir berichteten). Ein Aufschrei ging durch Flensburg. Gepaart mit dem Wirbel um Hampus Wanne, der ein Angebot von Barcelona vorliegen hatte, fragten sich nicht wenige Fans, was nur bei ihrer SG los sei. 

Schmäschke: Konsequenter Umbruch

Wieso gehen so viele Spieler, woher kommt die Unruhe? »Es ist uns durchaus bewusst, dass es ein konsequenter Umbruch ist«, so Dierk Schmäschke. Der Geschäftsführer der SG versucht aber zu relativieren: »Viele Abgänge sind logisch und frühzeitig bekannt gewesen. Bei einigen Spielern wie z.B. Thomas Mogensen und Mattias Andersson sind die Abschiede altersbedingt bzw. auf Grund des Karriereendes. Wir haben uns viele Gedanken dazu gemacht.« Trainer Machulla sieht das ähnlich. Er sagt zwar: »Natürlich bringt der Abgang von Lauge unsere Planungen durcheinander und sechs Abgänge auf einmal sind eine Menge«, er fügt aber sofort hinzu: »Wir werden in der Saison 2018/19 immer noch eine tolle Truppe haben.« Die beiden SG-Verantwortlichen werben in diesen Tagen sowie für die nahe Zukunft für Ruhe, Nachsicht, Geduld und Sensibilität. »Das Team muss jetzt im Fokus stehen. Wir benötigen jetzt Unterstützung und keine Unruhe. Schlechte Stimmung hilft uns nicht weiter und Rasmus Lauge ist auch in der nächsten Saison noch hier. Wir haben hohe sportliche Ziele und wollen die mit ihm erreichen«, stellt Machulla in Bezug auf die Personalie Lauge klar, dass er weiterhin voll hinter ihm steht. »Mir ist es sogar lieber, dass ich es so früh weiß, dann können wir Ersatz suchen.«

Wenn die SG fündig wird und es »Sinn macht« (O-Ton Machulla) könnte dieser schon im Sommer 2018 zum Team stoßen. »Dann hat man zwar 17 Spieler im Kader, aber könnte denjenigen Akteur einbauen«. Der junge Niederländer Dani Baijens aus der Zweiten scheint keine Alternative. »Wenn, dann suchen wir jemanden auf dem Niveau von Rasmus Lauge«, so Schmäschke, der damit ein weiteres wichtiges Thema anspricht. »Die SG ist seit 20 Jahren internationale Spitze und das wird auch weiterhin unser Ziel bleiben. Wir werden uns gegen die finanzstarken Clubs wie Paris, Veszprém oder Kielce zur Wehr setzen. Natürlich sind unsere Spieler für diese Vereine interessant, aber wir wollen weiterhin unsere Qualität halten.« 

»Hochspannende Spieler mit viel Potenzial«

Und Schmäschke ist guter Dinge, dass es seiner SG gelingt. Die Neuzugänge heißen Torbjørn Bergerud (Holstebro), Benjamin Burc (Wetzlar), Magnus Jøndal, Gøran S. Johannessen (GOG), Simon Hald (Aalborg) und Johannes Golla (Melsungen). »Hochspannende Spieler mit viel Potenzial«, so Schmäschke. »Die Mannschaft, die 2014 die Champions League gewonnen hat, hat sich auch über viele Jahre entwickelt und Umbrüche gab es auch früher schon. Unser Ziel ist es, dass wir jetzt wieder ein Team entstehen lassen, dass in ein paar Jahren ganz oben anklopft. Gute Mannschaften entstehen durch Kontinuität und dafür benötigen wir Ruhe sowie Geduld.« Machulla ist sich sicher, dass er diese vom Verein bekommt und sieht in dem Umbruch auch »eine spannende Herausforderung«. »Es macht auch Spaß und setzt Energie frei«, so er Coach, der jetzt vor allem eine wichtige Aufgabe vor der Brust hat. »Es gibt immer wichtige Säulen im Team. Mit Mattias, Thomas und dann auch Lauge brechen uns einige davon weg. Aber mit Tobias Karlsson, Holger Glandorf und Lasse Svan sind immer noch welche da. Außerdem müssen dann andere Spieler neue Rollen übernehmen.« Machulla hat hier Akteure wie Anders Zachariassen und Jim Gottfridsson im Fokus. »Man kann es lernen, ein Mentalitätsmonster zu werden.« Machulla sagt: »Es wird Höhen und Tiefen geben, aber wir sollten dem Team die Zeit geben, dass es sich entwickeln kann.« Im Sommer 2019 laufen die Verträge von Karlsson und Glandorf aus. Sie sind laut Machulla »die Besten« auf ihren Positionen. Möglicherweise verlängern sie nochmal, vielleicht wird dann aber auch der Umbruch endgültig vollendet. So oder so appellieren sowohl Machulla als auch Schmäschke an die komplette SG-Familie eng und geschlossen zusammen zu stehen. Miteinander und Zusammenhalt sind seit jeher ebenfalls wichtige Tugenden an der Förde und haben bis jetzt noch jegliche Veränderungen der Spielgemeinschaft überstehen lassen.

Ruwen Möller