Neuer Hafen für Talente

Fußball

20. März 2018, 18:00 Uhr

Der Jugendfußball steht in Nordfriesland im Mittelpunkt. (Foto: Tim Riediger)

Jugendförderverein Nordfriesland will den Nachwuchs voranbringen und dem Fußball auch überregional ein neues Gesicht geben.


Niebüll/Risum-Lindholm. Joachim Press hatte in den letzten Monaten wieder mehr Zeit. Etwas mehr Zeit für sich, für Freunde und Familie, oder für Spaziergänge mit seiner Frau und/oder seinem Hund Chip, einem Australian Shepherd. Bald wird sein Terminkalender voller sein. Denn »Jockel« Press, der seit September 2017 nicht mehr den Fußball-Oberligisten TSB Flensburg trainiert, beginnt am 1. Juli 2018 seine neue Aufgabe als Sportlicher Leiter beim Jugendförderverein Nordfriesland. »Ich finde die Idee klasse und spannend. Ein Jugendförderverein war längst überfällig. Aber natürlich sind auch viele Hürden zu meistern«, sagt Press. Der 57-Jährige, der als Bewährungshelfer arbeitet und als DFB-Stützpunkttrainer in Malente tätig ist, wird wichtiger Bestandteil eines Vereins, der in dieser Art in der Region nicht nur neu, sondern einzigartig ist. 
Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, seitdem der Jugendförderverein (JFV) Nordfriesland entstanden ist. Bislang beigetreten sind die Vereine SV Frisia 03 Risum-Lindholm, SV Enge-Sande, TSV Hattstedt, MTV Leck, TSV Achtrup, TSV Rot-Weiß Niebüll, FC Langenhorn, TSV Ladelund, TSV Klixbüll und TSV Doppeleiche Viöl. »Weitere Vereine sind interessiert«, berichtet Dirk Enseleit. Er ist Vorsitzender des JFV Nordfriesland. »Momentan konzentrieren wir uns auf den nördlichen Teil von Nordfriesland, später wollen wir das ganze Kreisgebiet abbilden. Aber aufgrund der Länge und Fläche ist das gar nicht so einfach«, weiß er. Der Jugendförderverein Nordfriesland ist ein eigenständiger Verein. Ein Verein, der die Talentförderung mit allem was dazugehört klar in den Vordergrund stellt. Ein wichtiger Aspekt sind dabei regelmäßige Stammtische, bei denen sich die Vereine austauschen können. Ein Resultat daraus könnten etwa Spielgemeinschaften sein, wie etwa die SG Nordfriesland in der B-Jugend (TSV Hattstedt, SG Langenhorn/Enge, Frisia 03) oder in der A-Jugend (TSV Hattstedt, SG Langenhorn/Enge) die im Zuge dieser Idee entstanden sind.

Verein für die Vereine

Das sind die bislang zehn Mitglieder im Jugendförderverein Nordfriesland.

Ein Selbstläufer ist es jedoch nicht, Vereine für den Jugendförderverein zu begeistern und im Optimalfall zu gewinnen. »Es werden viele Bedenken geäußert. Viele haben Angst, dass die Besten aus ihren Mannschaften gezogen werden und sie ihre Ziele dadurch nicht mehr erreichen. Einige befürchten, dass sie ihre Mannschaften nicht mehr voll kriegen. Und ganz böse Zungen behaupten sogar, das mache ihren Verein kaputt«, sagt Dirk Enseleit zu den Sorgen potenzieller »Beitritts-Kandidaten«. Darauf aber hat Enseleit klare Antworten parat: »Wir berauben den Vereinen nicht ihrer Talente, ganz im Gegenteil: wir binden sie vielmehr, denn die Kinder bleiben Mitglied im Stammverein und im Jugendförderverein. Die Talente schauen sich eh nach interessanten Mannschaften um, teils wird früh an den Spielern gezerrt und sie nehmen viele Kilometer auf sich. Denen bieten wir mit dem Jugendförderverein einen Hafen damit sie heimatnah ausgebildet werden können. Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit der Vereine im JFV die Plattform sein, um mit gegenseitiger Unterstützung den Spielbetrieb für möglichst alle Mannschaften eines Vereins aufrecht zu erhalten. Wir sind der Verein für die Vereine.« Der finanzielle Aspekt sei allerdings nicht außer Acht zu lassen, weshalb Enseleit vor allem auf Sponsoren hofft, die sich über die Region hinaus präsentieren wollen. »Für Vereine und Sponsoren bieten sich ganz neue Möglichkeiten, neue Ansprechpartner und neue Kontakte«, erklärt Enseleit. Rollen soll der Ball im Punktspielbetrieb ab nächster Saison. »Starten müssen wir mit mindestens drei Teams. Das wären die A-, B- und C-Jugend bei den Jungen. Die D-Jugend erstmal noch nicht als Mannschaft, aber in einer Sondertrainingsform. Genauso bei den C-Mädchen«, so Enseleit, der sechs Mannschaften (männliche A- bis D-Jugend sowie B- und C-Mädchen) als Fernziel nennt. Ein wichtiger Aspekt bei der ganzen Sache, und da hat nicht zuletzt Jockel Press sein Augenmerk drauf, ist die Trainerfindung. Eigentlich hatte Enseleit gehofft, dass die Suche bereits beim Stammtisch kürzlich am 9. März in Langenhorn abgeschlossen werden könnte, so fix wie erhofft ging es dann aber nicht. »Es sind nicht so viele Bewerbungen gekommen wie erhofft«, verrät Enseleit. Doch warum überhaupt ein Jugendförderverein? Und warum jetzt? »Die Alternative wäre gewesen, nix zu machen«, antwortet Enseleit und fährt fort: »Wir sehen doch seit Jahren, wohin der Fußball hier steuert. In Bezug auf Talentförderung gibt es gar nichts. Kein Verein für sich schafft es, mit Konzept und Trainern, durchgehend eine gute Talentförderung zu machen, um beispielsweise in Nordfriesland auf Dauer in der Regionalliga zu spielen. Vielleicht mal kurz, aber nicht nachhaltig.«

Schulterschluss

Im Schulterschluss und engem Miteinander der Vereine soll der Jugendförderverein »dem Fußball in der Region ein neues Gesicht geben. Durch eine strukturierte Talentförderung mit Anbindung an die Top-Vereine kann der Fußball wieder interessant sein und wir verlieren nicht mehr so viele Kinder an andere Sportarten«, so Enseleit. Als Sportlicher Leiter kommt Jockel Press dabei eine Hauptaufgabe zu. Er sichtet Trainer (»Die Trainersuche ist in vollem Gange«), kümmert sich um deren Fort- und Ausbildung, genauso wie um die Talentförderung. Das Anforderungsprofil an JFV-Trainer beschreibt er wie folgt: »Identifizierung mit dem Jugendförderverein und der Idee dahinter. Bezug zu Nordfriesland. Teamfähigkeit.« Die Trainer würden auch nirgends abgeworben, sondern »sollen sich gerne melden«, verdeutlicht Press. Die Trainer bekommen dabei Mannschaften, die nicht etwa von unten beginnen, sondern die den höchsten Platz eines ihrer angehörenden Vereine übernehmen würden. In der A-Jugend wäre das nach aktuellem Stand der Oberliga-Platz des SV Frisia 03 Risum-Lindholm, in der B-Jugend der des arg abstiegsbedrohten Oberligisten und daher möglicherweise künftigen Landesligisten SG Nordfriesland, sowie in der C-Jugend der Platz vom Landesligisten SG Ladelund/Achtrup/Leck.

Höchstmögliche Spielklassen

Joachim Press wird sportlicher Leiter des JFV Nordfriesland. (Archivfoto)

»Ziel muss es sein, in den nächsten drei, vier Jahren in den höchstmöglichen Spielklassen zu spielen«, sagt Press. Ihm gefällt es, dass er ab Sommer beim JFV in festen Teams konzeptionell arbeiten kann. »Die C-Jugend muss wissen, was die B-Jugend erwartet«, sagt er als Beispiel. Von Torwart- bis Athletiktraining wird gesorgt, während sich »der Stammverein auf sein Kerngeschäft konzentrieren kann, nämlich den Breitenfußball«, so Press. Enseleit und die Vereinsführung freuen sich, mit Jockel Press nicht nur einen gefunden zu haben, der als A-Lizenz-Inhaber Ahnung hat, sondern der als sozusagen neutrale Person keine Vereinsbrille auf hat. »Jockel Press genießt ein hohes Ansehen. Er war von der ersten Minute angetan von der Idee. Mit ihm als Sportlichen Leiter bekommt das Ganze in Bezug auf die Ernsthaftigkeit noch einen zusätzlichen Anstrich«, sagt Enseleit. Press hätte auch Trainer bleiben können. »Ich habe hier in Flensburg beide Oberligisten trainiert. Da wäre es dann schon schwierig mit einer Mannschaft, die nur so halbambitioniert ist. Und auf höherem Niveau hätte ich drei, vier Mal pro Woche längere Distanzen fahren müssen. Dann bist du Trainer, wo du keine Heimat hast. » Diese Befürchtung hat er im nahen Nordfriesland nicht. 


Marc Reese  

Fakten Jugendförderverein

Ein eigenständiger Fußballverein, der aus mehreren Vereinen (Stammvereinen) einer Region besteht und sich der leistungsoptimierten Weiterentwicklung im Jugendfußball widmet. 


Die Stammvereine stellen ihre Talente dem JFV zur Verfügung. 

Die Talente sind sowohl im Stammverein als auch im JVF Mitglied und erhalten ein Zweitspielrecht.