»Dann sind wir eine der besten Mannschaften der Welt«

Handball

16. März 2018, 18:50 Uhr

Maik Machulla gewann mit seiner SG das Spitzenspiel gegen Berlin. Fotos: Sven Geißler

Flensburg. Nach Spielende saßen einige Akteure der SG Flensburg-Handewitt und von den Füchsen Berlin noch lange in den Katakomben der Flens-Arena zusammen. Die einen mussten zur Dopingkontrolle, die anderen hielten Smalltalk. Wenige Minuten zuvor hatten sie sich im Innenraum der mit 6300 Besuchern prall gefüllten Halle heftig duelliert. Der hitzige Höhepunkt einer emotionalen Begegnung ereignete sich in der Schlussminute. Der 29:21 (14:10)-Sieg der SG im Spitzenspiel des 22. Spieltags stand längst fest, da gerieten die Kontrahenten noch einmal aneinander. 

Nach einem Foul der Berliner Abwehr an Anders Zachariassen sprang ihm sein Landsmann, SG-Aggressivleader Thomas Mogensen an die Seite und verteidigte ihn mit allem was er hatte. Die beiden Dänen bekamen in dieser Szene jeweils eine Zeitstrafe aufgebrummt. Doch den Hausherren war das egal. Ihnen war der Sprung auf Rang zwei vorbei am Hauptstadt-Club geglückt. Gründe dafür gab es viele. Da war zum Einen Holger Glandorf. Der Linkshänder stand schon lange vor dem Spiel im besonderen Fokus, weil ihm nur zwei Tore fehlten, um bester Feldtorschütze der Bundesliga aller Zeiten zu werden. Nach genau 45:46 Minuten war es soweit. Der Weltmeister von 2007 traf zum 22:15. Er ließ später noch ein Tor folgen und hat nun 2264 Treffer aus dem Spiel heraus erzielt - Rekord.

»Mir war es wichtig, dass wir die zwei Punkte geholt haben. Dass ich dabei auch noch den Rekord aufgestellt habe, ist natürlich auch schön, aber die Mannschaft hat mir wie immer dabei geholfen«, so Glandorf in seiner gewohnt zurückhaltenden Art. Dass mit ihm nach dem Südkoreaner Kyung-Shin Yoon erneut ein Linkshänder die Bestmarke hält, wertet der Halbrechte als »Zufall«. Sein Teamkollege Kevin Møller hatte da eine ganz andere Erklärung parat. »Ich denke, es liegt daran, dass Linkshänder einfach schlauer sind«, so der dänische Keeper scherzhaft. Genau wie Glandorf wirft er den Ball mit der linken Hand und genau wie Glandorf trug Møller mit einem bärenstarken Auftritt seinen Teil zum Heimsieg bei. Dänemarks Nationalkeeper hatte eine Quote von 50 Prozent gehaltener Bälle. »Die Zahl überrascht mich«, sagte er dazu. »Ich schaue aber nicht so sehr auf die Quote, wichtig ist nur, dass wir die zwei Punkte behalten haben. Die Abwehr hat mir heute noch mehr geholfen als sonst.« Møller lobte in dem Zusammenhang vor allem seinen Landsmann Zachariassen und Kapitän Tobias Karlsson. Überrascht war Møller auch davon, dass er anfangen durfte. »Es passiert nicht so oft in der Bundesliga und ja, deshalb war ich überrascht«, so der Torwart. Trainer Maik Machulla hatte es ihm am Freitag verraten. »Reines Bauchgefühl«, so die Erklärung vom Coach. 

»Ich hoffe, dass ich mich weiterhin auf meinen Bauch verlassen kann«, sagte Machulla, der ebenfalls zu den Protagonisten des Abends zählte. Gutes Coaching ist ihm zu bescheinigen. Neben Møller hatte er auch Kentin Mahé in die Startformation beordert. »Kentin hat zuletzt von den Rückraumspielern am wenigsten gespielt. Er hat aber gut trainiert und war frisch. Ich habe mir von ihm viel Energie versprochen«, so die Begründung von Machulla, der sowohl Mogensen als auch Jim Gottfridsson im Training »müde« und den Schweden sogar körperlich »leicht angeschlagen« erlebt hatte. Energie hatte Mahé. Der zweifache Weltmeister hatte sogar zu viel davon und wollte in der Anfangsphase »mit dem Kopf durch die Wand«, wie sein Trainer beobachtete. Die Folge: Stürmerfouls, Ballverlust, Konter für den Gegner und ein 2:4-Rückstand (9.). Machulla griff entgegen seiner Gewohnheiten und vor allem entgegen seiner Überzeugung (»ich gebe den Spielern normalerweise längere Zeit Vertrauen«, O-Ton des Trainers) frühzeitig ein und machte damit im Nachhinein betrachtet alles richtig. Er brachte Mogensen und Zachariassen. 

Mehr Struktur

»Ich wollte mehr Struktur und mehr Aggressivität«, sagte der SG-Trainer, der nicht die eigene Abwehr sondern die Offensive als Schwachpunkte ausgemacht hatte. Beides bekam er. »Was Thomas gespielt und an Emotionen reingebracht hat, dass kann man nicht kaufen«, so Machulla über den Dänen. Der 35-Jährige steuerte fortan das Spiel und heizte dem Publikum immer wieder mächtig ein. Zudem hatte er in Zachariassen seinen designierten Nachfolger als emotionalen Anker der zukünftigen SG an seiner Seite. Beeindruckend was der rotblonde Kreisläufer ablieferte. Neben ihm trumpfte auch Rasmus Lauge mit zunehmender Spieldauer immer mehr auf und war mit acht Toren am Ende bester Torschütze seiner Farben. Lediglich Berlins Hans Lindberg (9 Tore) war an diesem Tag noch zielsicherer. Auch Mahé zeigte sich noch und war mit drei verwandelten Strafwürfen und anschließender Jubelpose ebenfalls ein Garant für die legendäre »Hölle Nord«-Stimmung, die sich Machulla so sehr gewünscht hatte. »Danke an das Publikum. Ich wollte heute von allen Aggressivität und alle haben verstanden worum es ging«, sagte er. Machulla weiter: »Alle, auch die, die nicht gespielt haben, haben ihren Anteil geleistet«. Zum Abschluss hatte der Coach noch die ganz großen Worte parat: »Wir können über Taktik und Einstellung reden so viel wir wollen, wenn man einen Torwart mit 20 Paraden hat, ist es einfach so, dass wir ins Rollen, ins Laufen kommen und dann sind wir eine der besten Mannschaften der Welt.« Mit dem Erfolg ist der Meister von 2004 jedenfalls erster Verfolger von Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen. Die Mannheimer siegten locker mit 36:26 gegen den VfL Gummersbach und behaupteten dadurch ihre Spitzenposition. Die SG hat im Kampf um die Champions League-Qualifikation aktuell die besten Aussichten. Nach einem freien Wochenende, geht es am Donnerstag allerdings zum heimstarken SC Magdeburg. Dort gilt es die Leistung zu bestätigen, um den Handball-Festtag gegen Berlin zu vergolden.

Ruwen Möller