UPDATE #2: »Das ist extrem bitter«

Handball

22. Januar 2017, 18:41 Uhr

Deutschland verliert sensationell gegen Katar. (Foto: dpa)

Paris. Auf EM-Gold und Bronze bei den Olympischen Spielen im letzten Jahr sollte beim Abschiedsturnier von Bundestrainer Dagur Sigurdsson mindestens eine WM-Medaille folgen, nach Möglichkeit die goldene. Doch daraus wird nichts. Deutschland ist im Achtelfinale  vor 10.209 Zuschauern sensationell an Katar gescheitert. Das DHB-Team verlor völlig überraschend mit 20:22 (10:9). Nach dem Aus von Olympiasieger Dänemark wenige Stunden zuvor war das die zweite große Überraschung des Tages und des bisherigen Turniers.
Sicherlich, Katar ist amtierender Vize-Weltmeister, allerdings längst nicht mehr so gut besetzt wie noch 2015, als man bei der Heim-WM mit 26:24 im Viertelfinale gegen Deutschland gewonnen hatte und bis ins Endspiel eingezogen war. Im vergangenen Sommer in Rio hatte Deutschland die Kataris leicht und locker mit 34:22 im Viertelfinale geschlagen – und genau das schien heute ein Problem zu sein.
Nach dem Gruppensieg in der Vorrunde und dem überzeugenden Auftritt gegen Kroatien am Freitag ging Deutschland als klarer Favorit ins Spiel. Katar hatte bislang eine eher schwaches Turnier gespielt und ein deutscher Sieg schien für viele bereits vorgezeichnet.

Gewünscht hatte ihn sich auch Holger Glandorf. Der Linkshänder von der SG Flensburg-Handewitt war erst am Donnerstag nachnominiert worden und wäre gerne bis zum Ende des Turniers in Frankreich geblieben. Daraus wird allerdings nichts, Glandorf und Co. können bereits am Montag wieder die Heimreise antreten.
»Es sollte bestimmt kein Kurzeinsatz werden, aber insgesamt haben wir heute zu viele technische Fehler gemacht und Katar die Bälle geschenkt«, sagte Holger Glandorf unmittelbar nach dem Spiel in der Mixed-Zone der Accor Hotels Arena. Der Weltmeister von 2007 war sichtlich angefressen und suchte nach Worten. Er sagte weiter: »Wir schmeißen einfach zu viele Bälle weg, bekommen noch eine Zeitstrafe, ein, zwei Pfiffe gegen uns – wobei danach geht es nicht – wir haben einfach zu viele Fehler gemacht und es ist extrem bitter, dass wir ausgeschieden sind.«

Deutschland begann mit EM-Held Andreas Wolff im Tor. Auf dem Feld spielten von Beginn an Kapitän Uwe Gensheimer, Paul Drux, Steffen Fäth, Kai Häfner, Patrick Groetzki und Patrick Wiencek am Kreis.
Der erste Treffer der Partie gelang Häfner. Der Europameister erwischte mit der Führung im Rücken den besseren Start und ging 3:1 (5.) sowie 6:2 (10.) in Führung. In der Abwehr wurde beherzt zugepackt, Wolff hielt was zu halten war – darunter auch einen Siebenmeter – und vorne wurden die Chancen verwandelt.
Dann gab es allerdings einen Bruch im Spiel des DHB-Teams. Vorne wurde jetzt zu schnell und ungenau abgeschlossen. Die Folge: Vizeweltmeister Katar verkürzte auf 5:6. Deutschland nahm eine Auszeit (15.). Besserung gab es aber zunächst nicht. Ganz im Gegenteil. Der berühmte Wurm war im Spiel und Katar glich zum 7:7 (20.) aus.
Der Bundestrainer brachte jetzt Hendrik Pekeler als zweiten Kreisläufer neben Wiencek und kurz darauf auch Glandorf. Groetzki traf zum 8:7 und Deutschland blieb in Front (22.). Wolff parierte einen weiteren Siebenmeter, aber absetzen konnte sich das DHB-Team vor der Pause nicht mehr. In dieser schwierigen Phase gelang Glandorf lediglich noch das 10:9 und somit sein erster Turniertreffer.

Glandorf: »Wir dagegen haben einfache Fehler gemacht«

Anfang der zweiten Hälfte saß der 33-Jährige zunächst wieder auf der Bank, er wurde aber schon in der 37. Spielminute wieder eingewechselt. Deutschland erwischte dank des dritten gehaltenen Siebenmeters von Wolff wieder eine gute Phase und setzte sich auf 15:12 (43.) und 17:13 (46.) ab. Glandorf hatte das 16:13 erzielt und einige feine Anspiele, die ebenfalls zu Treffern führten, an seine Teamkameraden geliefert.
Katar war jedoch ein unangenehmer Gegner und blieb dran – vor allem weil Deutschland wieder begann, Fehler zu machen. Nachdem Wiencek seine dritte Zeitstrafe – die zweite hatte er bereits in der ersten Halbzeit bekommen – und somit die Rote Karte (50.) kassierte, konnte Katar zum 17:17 (52.) ausgleichen.
»Ich weiß gar nicht wie lange da noch zu spielen war, als wir die Rote Karte bekommen haben, aber Katar hat es in der Phase gut gemacht und uns sind zu viele einfache Fehler unterlaufen«, so Glandorf, der in dieser Phase Verantwortung übernahm. Erst traf er zum 18:17 (52.) und kurz darauf zum 20:18 (56.). Das vierte Tor von »Glanzi« sollte das letzte deutsche Tor des Turniers sein. Katar legte in den letzten Minuten einen Lauf hin und gewann am Ende doch noch ein bereits mehrfach verlorenes Spiel.
Strittig war es beim Stand von 20:20 (57.). Die Deutschen reklamierten ein Foulspiel gegen Paul Drux, die Unparteiischen Gatelis/Mazeikva aus Litauen pfiffen allerdings Stürmerfoul gegen das DHB-Team und Ballbesitz Katar.
Rafael Capote nutzte die Chance und traf zum 21:20 (58.). Es war die erste Führung des Asienmeisters im ganzen Spiel – die sollte aber ausreichen.
»Ich weiß nicht ob es Stürmerfoul oder ein Foul an Paul war, ich lag selber am Boden und habe es nicht gesehen. Wir sollten aber auch nichts auf die Schiris schieben, wir müssen uns an die eigene Nase fassen, wir haben zu viele Fehler gemacht«, so Glandorf, der sich noch einmal versuchte. Sein Bodenpass auf Patrick Grotezki fand jedoch keinen Abnehmer und landete im Toraus.
Katars nächster Angriff endete nach einem Pfostentreffer ebenfalls im Aus und Deutschland bekam in der hochdramatischen Schlussphase eine weitere Chance, zumindest den Ausgleich zu erzielen und somit die Verlängerung zu erzwingen.
Das Aus und nur noch wenige Sekunden Spielzeit vor Augen nahm sich Steffen Fäth ein Herz - oder verlor die Nerven, je nach Betrachtungsweise. Jedenfalls versuchte er sich, landete mit seinem Wurf – der wie schon so viele Angriffe zuvor extrem überhastet und unvorbereitet war – in der Abwehr des Gegners. Dieser traf noch zum 22:20. Im Nachhinein wurde das Tor allerdings nicht mehr anerkannt. Am Aus der Deutschen änderte es allerdings nichts.
»Wir haben zu viele einfache Fehler gemacht und haben Katar eingeladen, wieder ins Spiel zu kommen«, so Glandorf. »Kämpferisch und in Sachen Leidenschaft kann man dem Team keinen Vorwurf machen, aber es sind die Kleinigkeiten die entscheiden und da war Katar heute einen Tick besser.«


Ruwen Möller

Statistik

Deutschland: Wolff, Heinevetter – Lemke, Wiencek 2, Reichmann, Glandorf 4, Pekeler, Fäth 3, Groetzki 4, Häfner 3, Kühn 1, Ernst, Oieczkowski, Kohbacher 1, Drux 2
Katar: Saric, Al-Abdulla – Mabrouk, Alsaltialkrad, Roine 4, Capote 9, Al-Karbi, Murad, Abdelhak, Alrayes 1, Alsafadi, Sinen, Mallash 2, Madadi 1, Ali Youssef 3, Hassaballa 1
Schiedsrichter. Gatelis/Mazeika
Zuschauer: 10.209
Siebenmeter: -/2/5 (Wolff hält drei Mal)
Rote Karte: Wiencek (50.)