Holstein Kiel am Boden

Aus in der Relegation

04. Juni 2015, 07:49 Uhr

Valdet Rama (1860 München) jubelt nach dem Spiel. Die Löwen konnten das Spiel mit 2:1 gewinnen und sich den Klassenerhalt sichern. Kiel bleibt nichts als Ernüchterung. (Foto: Tobias Hase/dpa)

München. München/Kiel. Die zehnstündige Heimfahrt im Bus war eine Tortur. Die Stimmung am Boden, die Mienen finster, die Gespräche kurz. Was als Triumphfahrt durch die Nacht erhofft war, geriet zur Trauerreise. Holstein Kiel hatte den Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga wenige Stunden zuvor im Relegations-Rückspiel bei 1860 München durch ein unglückliches Tor in der Nachspielzeit knapp verpasst (1:2). »Das war das Schlimmste, was in einer Karriere passieren konnte«, seufzte Abwehrspieler Marcel Gebers. Und ergänzte geknickt: »Das haben wir nicht verdient.«

Die Norddeutschen, die aufgrund des Originaltrikots aus früheren Jahren liebevoll »Störche« genannt werden, sind eigentlich hart im Nehmen. In der Münchner Allianz-Arena ergaben sie sich nach starker Leistung aber hemmungslos ihren Tränen. Das bittere Aus hatte die Mannschaft komplett aus der Bahn geworfen.

Die Schleswig-Holsteiner haderten mit der fehlenden Gerechtigkeit im Fußball. »Fußball ist ein brutaler Ergebnissport«, betonte Geschäftsführer Wolfgang Schwenke, der sich nach dem Tiefschlag gegrämt, aber am Mittwochmorgen schon wieder berappelt hatte. »Ich bin nicht am Boden zerstört«, beteuerte der frühere Handball-Profi des THW Kiel. »Ich bin seit 18 Jahren im Leistungssport. Da hat man einiges mitgemacht und daraus seine Lehren gezogen.«

Die lange spielbestimmenden »Störche« müssen sich vorwerfen, in den letzten Minuten unter dem Druck der 57.000 Zuschauer nicht mehr Herr der Lage gewesen zu sein. Das hatte auch Trainer Karsten Neitzel registriert, bei dem die Gnadenlosigkeit des Augenblicks feuchte Augen hinterließ. »Was Schlimmeres habe ich im Sport noch nicht erlebt«, gestand er.

Neitzel will aber nicht im Selbstmitleid versinken. »Es muss uns einfach gelingen, aus diesem Tag Stärke zu ziehen, auch wenn es schwerfällt«, erklärte der gebürtige Dresdner. Und bastelte gedanklich schon an dem Team der Zukunft. »Dann greifen wir im nächsten Jahr eben wieder an. Wir müssen sehen, was wir für eine Mannschaft an den Start bringen.«

Die Kieler nehmen erneut Anlauf auf die 2. Liga. Als Ziel wollen sie dies allerdings nicht formulieren. »Das wäre respektlos gegenüber der Konkurrenz. Die 3. Liga ist unglaublich ausgeglichen«, sagte Schwenke. Intern wird an Verstärkungen gearbeitet. »Wir werden jetzt die Köpfe zusammenstecken und alles analysieren. Wo müssen wir besser werden? Wo brauchen wir wen?«, erläuterte der 47-Jährige.

Der Geschäftsführer legt Wert auf die Würdigung von Trainer und Mannschaft über die gesamte Saison hinweg mit Platz drei in Liga drei. »Das war klasse, diese Saison war Wahnsinn! Ich bin megastolz auf die Mannschaft. Sie hat Außergewöhnliches geleistet.«

Der Ausbau des Stadions, das bei Aufstieg von 10.000 auf 15.000 Plätze erweitert werden sollte, wird vorerst auf Eis gelegt. Ein finanzieller Bedarf für die Modernisierung der städtischen Arena liegt bei 3,5 Millionen Euro. »Strukturelle Verbesserungen wird es sicherlich geben, die große Lösung aber nicht«, betonte Schwenke.

Franko Koitzsch und Klaus Bergmann, dpa