Nach 24 ! Jahren SG: Vorprogrammiertes Gefühlschaos

Handball/Abschied

19. Mai 2018, 00:01 Uhr

Wie die Zeit vergeht. Vor achte Jahren war Jacob Heinl der »Titelheld« auf unserem Handballmagazin, nach 24 Jahren verlässt er in diesem Sommer die SG. Foto: Ruwen Möller

Kurz vor der sportlichen »Silberhochzeit« trennen sich in diesem Sommer die Wege von Jacob Heinl und der SG Flensburg-Handewitt. Wohin es für den Kreisläufer geht, ist noch nicht fix, aber es wird ein emotionaler Abschied für den Flensburger Jung.
 
Flensburg. »Jacob wird vor allem unser leckeres Mittagessen fehlen«, ruft Daniel Kroll vom Weinkontor Roberto Gavin von einem Nachbartisch rüber, als wir Jacob Heinl zu seinem Abschieds-Interview in der Weinhandlung in der Walzenmühle treffen. »Stimmt«, erwidert Heinl, dem ein Teller Quinoa mit grünem Spargel »sehr gut« geschmeckt hat. Es werden jedoch vor allem die Familie, Freunde, die Fans, die einmalige Atmosphäre in der Halle und die SG Flensburg-Handewitt als solches sein, die dem 31-Jährigen fehlen werden. Seit 24 Jahren atmet und lebt Heinl Handball für seine SG. 

Am 3. Juni ist es vorbei. Kurz vor der sportlichen »Silberhochzeit« trennen sich die Wege. Das Heimspiel gegen FA Göppingen wird das letzte von rund 700 Partien, die er als Jugendlicher und Profi für die SG absolviert hat, sein. Die SG hat einen Umbruch begonnen und plant in Zukunft ohne Heinl, der seit vier Jahren von vielen Verletzungen geplagt ist. Ein Muskelfaserriss im Adduktorenbereich, zugezogen im letzten Derby gegen den THW Kiel, setzt ihn aktuell außer Gefecht. Er ist jedoch »guter Dinge, in dieser Saison noch einmal spielen zu können.«
Trotz allem, trotz seiner großen »Verbundenheit und Liebe« zur SG, will Heinl etwas Neues ausprobieren. Wohin es geht, steht noch nicht fest. Er hat viele Optionen, hat aber »noch nichts unterschrieben« und will jetzt »die beste Lösung« finden.

»Ich bin kein besonders emotionaler Typ bzw. zeige meine Emotionen nicht unbedingt nach außen«, sagt Heinl auf das Saisonfinale Anfang Juni angesprochen. Er ist sich aber auch sicher, dass in ihm ein »emotionales Gefühlschaos herrschen wird. Jede Menge Freunde und Familienmitglieder werden bei seinem letzen Auftritt auf der Tribüne in der Flens-Arena sitzen. »Es wird traurig, aber ich freue mich auch auf das Spiel.« Was genau auf ihn zukommt, weiß Heinl nicht, er glaubt aber, dass »die letzten Jahre im Zeitraffer« an ihm vorbeilaufen werden. 

Es wird ein langer Film im Kopfkino. 1994 begann der in Hamburg geborene Heinl in der E-Jugend bei der SG. Er durchlief alle Jugendteams, spielte in der »Zweiten« und wurde dann zu einer tragenden Säule im Profi-Team. Das hat so vor und nach ihm kein anderer in Flensburg geschafft. Jan Holpert ging den Umweg über Milbertshofen, und alle die nach Heinl kamen, haben es nicht so weit gebracht wie er. Der Modellathlet wurde zum Nationalspieler und holte vier Titel an die Förde, darunter die Champions League 2014. 
»Ich hoffe, dass es nach mir mal wieder jemandem gelingt«, so Heinl, der den Gewinn der »Königsklasse« als »Krönung« bezeichnet. »Ich bin sehr stolz auf meine Zeit bei der SG, das habe ich mir Anfangs nicht erträumen können.«
Heinl macht kein Hehl daraus, dass es auch »viele Enttäuschungen« gab. In erster Linie fallen ihm hier die Niederlagen in sechs von sieben Endspielen im DHB-Pokal zwischen 2011 und 2017 (nur 2015 siegte die SG) sowie die verpasste Deutsche Meisterschaft vor einem Jahr ein. »Das war alles bitter, aber gehört im Sport dazu. Und wenn man nicht immer gewinnt, ist die Freude umso größer, wenn es mal gelingt«, so Heinl. »Es hätte optimaler laufen können, aber insgesamt war es super, was ich hier erlebt habe.«
Dabei hat er persönlich auch schwere Zeiten gehabt. Vor allem in den letzten vier Jahren, in denen ihm sein Körper immer wieder einen Strich durch die Handball-Rechnung machte. Gehirnerschütterung, Virus-Erkrankung, ewiges Rückenleiden, Muskelverletzungen und eine Augen-OP, Heinl hat seit dem Herbst 2014 viel mitgemacht.
»Natürlich wäre ich gerne gesund geblieben«, so Heinl, der aber nie gejammert hat. »Es gilt aufzustehen und weiterzumachen. Man kann die Dinge nicht rückgängig machen und Verletzungen gehören im Sport nun mal dazu. Den einen trifft es mehr, den anderen weniger. Ich will mich nicht beschweren, denn ich bin heute gesund. Es gibt andere Menschen, die mit Krankheiten viel schlimmer getroffen sind.«

Der ewige Flensburger: Jacob Heinl. Archivfoto

Ein Rückschlag wie vor einer Woche beim Derby gegen den THW Kiel wirft ihn nicht mehr aus der Bahn. Beim 29:25-Sieg der SG zog er sich einen Muskelfaserriss im Adduktoren-Bereich zu. »Es war ärgerlich, weil ich raus musste. Es war schließlich mein letztes Derby und ich war besonders heiß. Aber wir haben gewonnen und daher war es ein schöner Abschluss. Die Verletzung ist nur eine Kleinigkeit und wird keinen bleibenden Schaden hinterlassen«, so Heinl, der aus der Erfahrung weiß, dass Muskelverletzungen bei ihm gut verheilen und er schnell wieder spielen kann. Daher geht er auch fest davon aus, in dieser Saison noch einmal aufzulaufen. »Ich möchte immer spielen und deshalb war es nicht schön, aber ich war direkt nach dem Spiel schon wieder optimistisch. So eine Verletzung ist nicht so wild wie meine Rücken-Geschichte damals. Da war es die Unklarheit, ob und wann ich wieder zurückkomme, die mir zu schaffen gemacht hat«, erinnert sich der Publikumsliebling, der sich diesmal keine Sorgen macht.
Auch wenn er schon wieder im leichten Training ist, die Partie am Sonntag (12.30 Uhr/live Sky) gegen GWD Minden kommt noch zu früh. »Ich will kein Risiko eingehen, dafür ist mir das letzte Saisonspiel dann doch zu wichtig«, so Heinl, der sich jedoch nicht nur mit einem Einsatz in seiner Halle verabschieden möchte, er möchte für seine SG vor allem noch etwas erreichen.
»Wir haben es in der eigenen Hand und wollen Platz zwei sichern, damit Flensburg auch in der kommenden Saison in der Champions League spielen kann.« Theoretisch ist sogar noch die Meisterschaft drin, aber daran hat Heinl seine Zweifel. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Rhein-Neckar Löwen noch drei Punkte abgeben, sie machen nie den Eindruck, irgendwann einzubrechen.«
Wenn es für die SG am Ende aber wieder Rang zwei wird, ist er zufrieden. »Natürlich waren das Pokal- und Champions-League-Aus Enttäuschungen für uns, aber Platz zwei ist wieder eine starke Leistung, die man anerkennen sollte.«
Für die Zukunft wünscht er seinem Herzens-Verein und vor allem den Fans nur das Beste. Was seine eigene bringt, dass weiß er noch nicht. Es gibt viele Optionen, aber entschieden ist Heinl zufolge noch nichts. Laut »Bild.de« hat der Zweitliga-Aufsteiger HSV Hamburg die Fühler nach Heinl ausstrecken. Der sagt lediglich: »Es dürfte zeitnah etwas passieren.«
Fakt ist, dass er nach 24 Jahren in »seiner Heimat«, etwas anderes ausprobieren möchte und das auch wird. 
Was danach kommt, ist zwar noch weiter weg als der unmittelbar nächste Schritt, aber er kann sich durchaus vorstellen, irgendwann zurückzukehren.
»Flensburg ist eine geile Stadt und es war toll hier aufzuwachsen. Aber ich bin nicht der Typ, der lange im Voraus plant. Es ist auch immer von der Lebenssituation abhängig. Aber ja, eine Rückkehr kann ich mir definitiv vorstellen.«
Ein enges Band wird ohnehin für immer bleiben. »Natürlich. Meine Eltern leben hier in der Nähe und ich habe viele Freunde hier. Außerdem sind da die vielen Erinnerungen«, so Heinl. »Es sind gute Erinnerungen, sowohl an die Jugendzeit aus der ich noch Freunde habe, aber auch an die Profijahre, in denen ich auch viele tolle Menschen kennengelernt und Freundschaften geschlossen habe.«
Heinl sagt: »Ich habe fast mein ganzes Leben mit Handball für die SG verbracht. Die ganzen Jahre an die ich bewusste Erinnerungen habe, sind mit Handball und der SG verbunden. Als kleiner Junge war ich auf der Tribüne und später ging ein Traum in Erfüllung, als ich selber in der Halle einlaufen durfte. Dass ist ein großer Teil meines Lebens und erfüllt mich mit stolz.«

Der junge Heinl. Archivfoto

Zum Abschluss sagt er: »Die Verbindung wird bleiben, Flensburg wird nie weg sein. 24 Jahre bei der SG zeigen meine Verbundenheit und Liebe zu diesem Verein sonst wäre ich nie so lange hier geblieben.«


Ruwen Möller