Das Meisterstück

Fußball

17. Mai 2018, 18:50 Uhr

Das ist das Ding. Kapitän Christian Jürgensen feiert mit seinen Teamkollegen die Meisterschaft in der Regionalliga Nord. Fotos: Katja Bobzin/SpeedPhotos

Garbsen. Als am Mittwoch um 20.47 Uhr der erlösende Schlusspfiff ertönte, gab es kein Halten mehr. Die Spieler des SC Weiche Flensburg 08 bildeten auf dem Platz eine riesige Jubeltraube und die 30 mitgereisten Fans feierten im Gästeblock mit einer selbst angefertigten Meisterschale aus Pappe. Irgendwo dazwischen lagen sich Trainer Daniel Jurgeleit, Geschäftsführer Harald Uhr und der Vereinsvorsitzende Hans-Ludwig »Haddy« Suhr in den Armen. Eine halbe Minute lang stand das Trio da, ganz unter sich inmitten des fröhlichen Durcheinanders. Es war ein magischer Moment an einem besonderen Abend. 

Mit einem 1:1 (1:0)-Remis im Wilhelm-Langrehr-Stadion beim TSV Havelse haben die Flensburger ihren ersten Meistertitel in der Regionalliga Nord perfekt gemacht. Nun können sie gegen Nordost-Champion Energie Cottbus den Aufstieg in die 3. Liga schaffen. Ausgetragen werden die Entscheidungsspiele am 24. Mai (19 Uhr/Livestream RBB) im Kieler Storchennest und am 27. Mai (14 Uhr/live RBB) bei den Lausitzern im bereits ausverkauften Stadion der Freundschaft. Doch zunächst will Weiche 08 am Pfingstmontag (14.30/live ARD) vor heimischer Kulisse gegen die Husumer SV den erstmaligen Gewinn des Landespokals unter Dach und Fach bringen. Auf dem Spiel steht auch die Qualifikation für den DFB-Pokal. Dass der SC im nordwestlich von Hannover gelegenen Garbsen vor den Augen von Energie-Coach Claus-Dieter »Pelé« Wollitz keinen Gala-Auftritt hinlegte, kam wenig überraschend. Zu groß war der Druck im letzten Punktspiel der Saison. Die Anspannung sei seiner Mannschaft deutlich anzumerken gewesen, fand auch Jurgeleit. Und fast hätten die Gäste einem Rückstand hinterherlaufen müssen. Doch zu ihrem Glück schloss der Havelser Yannick Jaeschke nach einem Steilpass von Deniz Cicek im Strafraum freistehend zu hektisch ab (28.). Flensburgs Torjäger René Guder machte es kurz darauf besser: Mit einem scharfen Rechtsschuss von der linken Seitenlinie ins kurze Eck erwischte er den aus Husum stammenden TSV-Keeper Morten Jensen (früher u.a. DGF Flensborg und in der Bundesliga bei Hannover 96 aktiv), der von der Sonne geblendet wurde, auf dem falschen Fuß (31.). 

»Er hat darauf spekuliert, dass ich flanke und stand daher ein paar Schritte zu weit vor der Linie«, sagte Guder, dessen 16. Saisontreffer ein ganz wichtiger war. »Die etwas glückliche Führung hat uns Sicherheit gegeben«, bestätigte Jurgeleit. Allerdings nur, bis der eingewechselte Tobias Fölster einen Querpass von Cicek zum 1:1 für die Platzherren verwertete (88.). Jetzt begann das große Zittern, denn mit einem weiteren Treffer hätten die Havelser den Meistertraum der Flensburger platzen lassen können, da der an diesem Tag spielfreie HSV II dann punktgleich gewesen und dank der besseren Tordifferenz vorne wäre. »Da ist der Puls noch einmal richtig hoch gegangen«, gestand Torge Paetow, der die Partie aufgrund seiner Knieverletzung als Zuschauer verfolgte. »Wir haben es am Ende spannend gemacht«, kommentierte Jurgeleit. »Unnötig, denn bis dahin hatten wir fast nichts zugelassen«, fügte sein Co-Trainer Marc Peetz hinzu. In den vier Minuten zwischen Ausgleich und Abpfiff – aus Sicht von Weiche 08 eine Ewigkeit – kamen jedoch keine Strafraumszenen mehr zustande. Es war vollbracht, und Guder brüllte mit geballten Fäusten die kollektive Erleichterung in den Abendhimmel von Garbsen.

Geile Spiele warten

Dorthin reckte Kapitän Christian Jürgensen eine Viertelstunde später die vom Präsidenten des norddeutschen Fußballverbands, Eugen Gehlenborg, überreichte Meisterschale. »Die Tabelle lügt nicht«, betonte der Spitzenfunktionär in seiner Rede. »Ich bin stolz auf die Jungs. Obwohl alle Augen auf uns gerichtet waren, haben wir es verdient durchgebracht«, meinte Jürgensen. Für ihn ist es bereits der zweite Regionalliga-Titel. Den ersten holte er 2009 an der Seite seiner aktuellen Teamkollegen Kevin Schulz und Tim Wulff noch im Trikot von Holstein Kiel. »Nach 34 Spieltagen ganz oben zu stehen, ist wohl der ehrlichste Titel«, befand Jonas Walter, der im Mittelfeld wie der nach langer Verletzungspause in die Startelf zurückgekehrte Nedim Hasanbegovic aufopferungsvoll gekämpft hatte. Auf eine Meisterfeier war die Flensburger Delegation indes gar nicht vorbereitet. »Ganz bewusst, weil wir uns voll auf das Sportliche konzentrieren wollten«, wie Peetz erklärte. So blieb Jurgeleit die Sektdusche erspart. Lediglich ein paar Wasserspritzer bekam er ab. Ausgelassene Stimmung herrschte in der Kabine trotzdem, woran Fabian Arndt und Raphael Straub großen Anteil hatten. Selbst der Chefcoach ließ sich von der Euphorie anstecken und führte ein Freudentänzchen auf. Und nach einem spontanen Pizza-Essen auf dem Parkplatz steuerte der Mannschaftsbus die erste Tankstelle an, um den spärlichen Biervorrat aufzufüllen. Für musikalische Unterhaltung sorgte auf der Heimfahrt der erprobte Team-DJ Nico Empen. »Wir haben diesen Moment genossen, aber jetzt geht es weiter«, sagte Jurgeleit. Längst hat der Erfolgstrainer in den Wettkampfmodus zurückgeschaltet. In der nächsten Woche stehen für seine Akteure gleich drei richtungsweisende Begegnungen an. »In meinem ersten Jahr mit Weiche das Double zu holen, wäre überragend«, sagte Dominic Hartmann mit Blick auf das Landespokalfinale. Für den gebürtigen Husumer Empen ist das Duell gegen seinen Jugendverein ohnehin ein ganz spezielles. »Mit Luca Sander und Sascha Feller spielen da zwei meiner besten Kumpels, ich kenne fast die ganze Mannschaft«, erklärte er und versuchte gar nicht erst, die Favoritenrolle von sich zu weisen: »Wenn wir unsere Bestform erreichen, haben sie keine Chance.« Jurgeleit befürchtet zwischen Meisterfeier und Aufstiegsspielen keinen Spannungsabfall. Er sei überzeugt, dass die Mannschaft am Montag wieder 100 Prozent geben werde. »Wir wollen den Verein unbedingt zum ersten Mal in den DFB-Pokal schießen«, sagte Guder. Und dann freue er sich gegen den ehemaligen Erstligisten aus Cottbus auf »zwei geile Spiele«. Jürgensen sieht in Flensburgs Außenseiterrolle einen Vorteil: »Wir können nur gewinnen.« Sollte die Meistersaison mit Pokalsieg und Aufstieg gekrönt werden, dürften sich Jurgeleit, Uhr und Suhr wieder lange in den Armen liegen.

Robby Echelmeyer

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