WM-Talk der Handball-Legenden

Handball

17. Dezember 2018, 08:30 Uhr

Meinungsstark und kurzweilig war der Austausch zur WM der Handball-Koryphäen Lars Christiansen und Stefan Kretzschmar. Fotos: Lars Salomonsen

Flensburg. Der Anpfiff der Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland und Dänemark am 10. Januar ist langsam aber sicher schon in Sichtweite. Ein guter Grund für die Flensborg Avis sich mit zwei Handball-Koryphäen gemeinsam an den Tisch zu setzen und den Ausblick auf die anstehende Endrunde zu werfen. Die dänische Handball-Ikone und Legende der SG Flensburg-Handewitt, Lars Christiansen, hat sich mit der deutschen Ikone des Handballs, WM-Botschafter für den Standort Berlin und Sky-Experten, Stefan Kretzschmar, über sich, den Sport und die bevorstehende Endrunde ausgetauscht.



Wann habt ihr den anderen zum ersten Mal bei einer Endrunde wahrgenommen?

Lars Christiansen (LC):»Auf Island 1995 habe ich Kretzsche das erste Mal bei einer WM im Herrenbereich gesehen. Aber ich habe ihn ja schon vorher in der Jugendnationalmannschaft bei Titelkämpfen getroffen. Er hatte etwas Besonderes und war nicht so stromlinienförmig. Kretzsche hatte immer auch das Unerwartete im Repertoire, das mochte ich gerne sehen.« 
Stefan Kretzschmar (SK):»1995 nach Island wäre ich fast in Flensburg gelandet und hätte deinen Platz eingenommen. Da wäre es dann Kretschmar statt Christiansen geworden. Manni Werner hat sich mit mir in Düsseldorf getroffen und wir waren schon sehr weit. Klassiker erst auf dem Bierdeckel, aber ich wäre dann noch weiter von zu Hause weg gewesen als in Gummersbach. Zudem spielten in Flensburg mit Peter Leidreiter und Andreas Mau die harten Hunde, das war dann nichts für mich. War dann ja auch gut so. Du mit Lars-Christiansen-Platz und so...« LC:»Im Ernst? Dann wäre meine Geschichte ja ganz anders verlaufen. Das wusste ich aber nicht.« 
SK:»Ich habe dich aber auch schon mit der Jugend-Nationalmannschaft wahrgenommen und war beeindruckt von dem unglaublichen Wurfrepertoire.«

Wer von euch war denn dann der bessere Linksaußen?

SK:»Das ist ja eine gemeine Frage. Ich sag mal so, Lars war ein unglaublich eleganter Spieler, der dänentypisch enorme Möglichkeiten im Abschluss gehabt hat. Ich mochte lieber das 1:1 und war sicher gefährlicher aus dem Rückraum. Der Hammer war aber, dass Yves Grafenhorst, mein designierter Nachfolger in Magdeburg, nicht mich, sondern Lars Christiansen als Vorbild auserkoren hat. Das grenzte schon fast an Majestätsbeleidigung.« 
LC:» Ich habe Kretzsche für seinen Biss und als Typ immer bewundert. Wir sind auch immer gut miteinander ausgekommen, aber wer nun besser war, kann ich nicht sagen. Wir haben unterschiedliche Stärken gehabt, die wir zum Tragen bringen konnten. Der gegenseitige Respekt war aber immer da.«

Heim-WM und ihre Bedeutung

Was war der schönste WM-Moment, den ihr erlebt habt?

LC:»Mein schönster WM-Moment war ganz eindeutig das Finale gegen Frankreich 2011 in Schweden. Das war fast wie ein Heimturnier mit Malmö als Spielort, und wir haben die damalige Übermannschaft im Finale am Rande einer Niederlage und mussten uns erst in der Verlängerung geschlagen geben, wegen ein paar dummer Fehler. Die Stimmung war einfach besonders. Das war ganz oft Gänsehaut und wir konnten unsere Stärke auch endlich bei einer Weltmeisterschaft nachweisen. Das ist mir von den Weltmeisterschaften hängen geblieben.«
SK:» Nur von der WM? Da möchte ich lieber nichts erinnern (lachend). Allerdings konnte man mich generell bei Spielen gegen Dänemark vergessen. Der Klister, den die benutzt haben, hat mir regelmäßig die Haut von den Fingern gezogen. Ich habe nicht ein gutes Spiel gegen Dänemark gemacht.«

Wie groß ist denn die Bedeutung einer Heim-Weltmeisterschaft?

SK:»Man hat ja 2007 in Deutschland gesehen, was das ausmachen kann. Du kannst ja richtig auf eine Welle springen und bist dann kaum zu stoppen. Dazu kommt natürlich auch, dass man sicherlich auch den ein oder anderen Pfiff mehr für sich bekommt. Das hat man 2007 auch deutlich gesehen.« 
LC:»Die Bedeutung einer Endrunde in der Heimat ist immer groß. Die Unterstützung ist enorm und das merkst du als Spieler auch. Eine Heim-WM gibt ganz sicher gehörigen Rückenwind.«

Wie ist eure Haltung zu den Endrunden, die von mehreren Ländern ausgerichtet werden?

LC:»Ich finde es merkwürdig, eine Weltmeisterschaft in mehreren Ländern auszutragen. Für mich gehört das in ein Land. So kommt ja auch erst Stimmung auf. Wenn das gesagt ist, ist die kommende Weltmeisterschaft mit Dänemark und Deutschland sicher die naheliegendste und auch beste Lösung dafür, aber grundsätzlich befürworte ich die Ausrichtung von einem Land.« 
SK:»Das hat natürlich auch etwas mit Politik zu tun bei dieser ganzen Vergabe-Geschichte. Hilfst du mir, dann helfe ich dir. So ist vielleicht auch die Zeit.«

Wie wird es denn den Gastgeber-Ländern Deutschland und Dänemark ergehen?

LC:»Deutschland wird es schwer haben, denke ich. Dänemark hat ganz sicher den einfacheren Weg gelost bekommen.« 
SK:»Die Deutschen haben ein ganz dickes Brett in der Vorrunde zu bohren. Das wird richtig schwer, kann aber mit den Fans im Rücken und viel Euphorie was werden. Die Dänen hingegen haben ja ein Bündnis mit dem Los-Gott. Das ist ja unfassbar, wie viel Glück da wieder dabei war. Der Weg in die Finalspiele ist so ja kaum zu verhindern.«


Glaskugel

Wenn ihr in die Glaskugel schaut, wie sieht zum Ende der WM das Podium aus?


LC:»Ich denke Frankreich, Dänemark und Norwegen oder Schweden werden auf den vorderen Plätzen landen, wenngleich das unheimlich schwer vorherzusagen ist.« 

SK:»An erster Stelle sehe ich Frankreich. Die sind nicht unschlagbar, aber die Topmannschaft und der Topfavorit. Die werden sicher das Halbfinale erreichen, dazu Co-Gastgeber Dänemark und Vize-Weltmeister Norwegen. Wir werden uns mit Spanien und Kroatien darum streiten, wer als viertes Team zur Vorschlussrunde nach Hamburg geht. Ich glaube, es wird ein riesiges Spektakel, bei dem unsere Jungs hoffentlich super performen. Ich hoffe, dass wir ins Halbfinale kommen. Das wäre großartig!«



Timo Fleth tif@fla.de