Fußball/Handball

Meister-Macher traf Weltmeister

Fußball/Handball

Thomas Bleicher
07. Januar 2020, 19:20 Uhr

Per Mertesacker (l.) und Maik Machulla schauten sich den Arsenal-Nachwuchs an. Privatfoto

Maik Machulla von der SG Flensburg-Handewitt besuchte in London den FC Arsenal und tauschte sich mit Per Mertesacker aus.

Flensburg. Im Frühjahr 2018 hatte die SG Flensburg-Handewitt Besuch von Alexander Nouri. Der Fußball-Trainer hospitierte bei Maik Machulla. Der Handball-Coach ist jetzt den umgekehrten Weg gegangen und hat beim Fußball reingeschnuppert. In London traf er sich mit Per Mertesacker, Fußball-Weltmeister von 2014, Vereinslegende und Leiter der Fußballakademie (Arsenal Academy) bei den »Gunners«. 

Der Kontakt entstand über SG-Athletiktrainer Michael Döring bzw. dessen Frau Grit Jurack, die einst in der Nationalmannschaft gemeinsam mit Mertesackers Ehefrau, Ulrike (geborene Stange), zusammen gespielt hat. »Per hat eine absolute Affinität zum Handball, das hat man sofort gemerkt. Die ist natürlich durch seine Frau entstanden, aber er hat beispielsweise auch unser Spiel bei den Rhein-Neckar Löwen vor Weihnachten gesehen. Er war sehr gut informiert und im Thema drin«, erklärte Machulla unserer Zeitung exklusiv, als wir ihn in der britischen Metropole endlich ans Telefon bekamen. »Ich bin hier ständig mit der U-Bahn unterwegs und da hat man absolut keinen Empfang«, entschuldigte sich der SG-Trainer. Musste er nicht, schließlich ist er in England auch im Familien-Urlaub. 

Golf statt Lamborghini

Machulla ist wissbegierig und schaut gerne über den berühmten Tellerrand hinaus. Daher nutzte er auch die Gelegenheit, um Mertesacker zu treffen. Von dem Austausch war er ebenso angetan, wie von der Welt-Metropole. »Ich war noch nie in London, es ist schon klasse, was hier los ist. Wir (Machullas Familie/Red.) sind einfach auf gut Glück in verschiedenste Restaurants und haben jedes Mal fantastisch gegessen«, so Machulla. Mit Mertesacker, der von 2011 bis zu seinem Karriereende 2018, für Arsenal auflief, traf er sich am vergangenen Wochenende. »Das war spannend, schließlich ist Per nicht irgendwer in dem Verein, er ist eine große Nummer«, wusste Machulla über den ehemaligen Kapitän der »Gunners« zu berichten, der Anfang 2018 die Leitung der Akademie übernahm und vor Weihnachten sogar kurzzeitig als Co-Trainer der Profis in der Premier League aushalf.

Mertesacker nahm Machulla und dessen Sohn mit zu einem Spiel eines Nachwuchsteams. »Wir sind ganz unaufgeregt im Golf dorthin gefahren. Ein Spieler wie Pierre-Emerick Aubameyang hätte uns wohl im Lamborghini abgeholt, aber Per ist halt sehr bodenständig und das gefällt mir«, wusste Machulla zu berichten. In freundschaftlichen Gesprächen erklärte Mertesacker, dass er versuche, u. a. einiges der im Fußball längst abhanden gekommenen Bodenständigkeit zurückzugewinnen. »Er ist verantwortlich für alle Teams von der U9 bis zur U23 und will den Spielern Werte mit auf den Weg geben. Er will ihnen und ihrem Umfeld klarmachen, dass man beim FC Arsenal eine gute fußballerische Ausbildung genießen kann, aber auch etwas fürs Leben mitbekommt«, so Machulla, der am Donnerstag seinen 43. Geburtstag feiert. Von 100 Nachwuchsspielern schafft es häufig nicht mal einer in die Premier League, konnte Mertesacker dem SG-Coach berichten und der gebürtige Hannoveraner erklärte Machulla auch, dass die meisten nicht am fehlenden Talent, sondern an »externen Faktoren« scheitern würden. Statt mit Beratern oder den Eltern über Geld und andere materielle Dinge zu sprechen, möchte Mertesacker die Jugendlichen persönlich sprechen, ihnen in die Augen schauen und Themen wie Respekt, Demut und Dankbarkeit angehen.

Genaue Analyse

Als Machulla davon hörte, schätzte er sich glücklich, in der deutlich weniger aufgeregten Handball-Welt tätig zu sein. Der SG-Coach warnte jedoch gleichzeitig: »Auch im Handball gibt es inzwischen Tendenzen, dass viele Leute mitreden und sich jeder einzelne selbst vermarkten will. Der Handball darf aber nicht so eine Mentalität bekommen, wie es im Fußball teilweise der Fall ist. Da müssen wir aufpassen und sind alle in der Verantwortung.« 

An dieser Stelle des Gesprächs war Mertesacker aufmerksamer Zuhörer und gestand, den Handball für seine mehr familiäre Art und Weise zu beneiden. Machulla wiederum blickte neidisch auf die »fantastischen Bedingungen« in sämtlichen Bereichen des FC Arsenal - auch im Nachwuchs. »Per findet manchmal, dass es den jungen Fußballern hier und da zu gut geht, aber es ist schon fantastisch, was für Trainingsbedingungen sie haben, wie viele Trainer und Experten dabei sind. Es gibt nahezu eine Eins-zu-eins-Betreuung für jeden Jugendspieler«, wusste Machulla zu berichten. Er selber hat bei der SG mit Döring oder zuletzt auch Lars Christiansen auch Hilfe im Kompetenzteam dazubekommen, der Fußball ist aber meilenweit voraus. Auch deshalb ist es Machulla wichtig, sich »sportübergreifend« mit jemandem wie Mertesacker zu unterhalten. Und der Dialog soll möglichst fortgesetzt werden. »Wir waren beide angetan von dem Treffen und beim nächsten Mal habe ich hoffentlich noch mehr Zeit. Vielleicht kann ich dann bei den Profis mit reinschauen«, so Machulla, der im Laufe der Woche nach Flensburg zurückkehrt, wo er ab dem 15. Januar seine Nicht-EM-Fahrer zum Training bittet. Die EM selber will er ebenfalls besuchen, vor dem Trainingsstart aber vor allem noch eine eingehende Analyse der ersten Saisonhälfte machen. »Da werde ich mich mit Mark Bult (Co-Trainer/Red.) und Lars Christiansen (Head of sport development/Red.) genau darüber unterhalten, was gut war und wo wir uns noch verbessern können. Auch die Spieler sollen mir Input geben«, so Machulla, der möglicherweise auch neue Ideen von seiner London-Reise in die SG-Zukunft einfließen lassen kann. 

Ruwen Möller 

Das ist Per Mertesacker

35 Jahre, verheiratet, drei Kinder Geboren in Hannover 

Stationen: Hannover 96, Werder Bremen, Arsenal London 
Erfolge: u. a. Weltmeister 2014, DFB-Pokalsieger 2009, 3 x englischer Pokalsieger
Nationalteam: 104 Spiele (4 Tore) 

Das ist der FC Arsenal:

Gegründet 1886 

Spitzname: The Gunners (die Schützen, Kanoniere), eine Kanone ziert das Vereinslogo 
Erfolge: 13 Meisterschaften und 13 FA-Cup-Siege (Rekordhalter)
Aktuelle deutsche Spieler: Mesut Özil, Bernd Leno und Shkodran Mustafi


Das legendäre Eistonnen-Interview mit Per Mertesacker: