Bierhoff: Wir sind die Gejagten

Fußball

26. Mai 2018, 00:24 Uhr

Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff. Foto: Ruwen Möller

Der Manager der Nationalelf warnt vor der "schwierigsten WM" jemals. Die Nachzügler sind da.

Oliver Bierhoff kam im dunkelblauem Hemd und dunkelblauer Chino-Hose. Dazu trug er weiße Turnschuhe. Nach 12 Jahren als Spieler in Italien ist der Manager der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht nur modisch stets ganz vorne, als Trainingslager-Dauergast in Südtirol weiß er auch, was sich gehört. Bevor er das Podium im Pressezelt betrat, ging er auf Landeshauptmann Arno Kompatscher zu, schüttelt ihm die Hand und hielt einen kurzen Plausch. Die TV-Kameras und unzähligen Fotografen verfolgten ihm dabei so nah, wie es die gegnerischen Abwehrspieler in seiner aktiven Zeit getan hatten.

Als Bierhoff auf dem für ihn vorgesehen Stuhl Platz genommen hatte, verteilte er noch mehr Höflichkeiten. Genau wie tags zuvor Bundestrainer Joachim Löw, zeigte sich auch Bierhoff von den Gastgebern in Südtirol begeistert. Er lobte ihre „Gastfreundlichkeit“, dass – seit gestern „gute Wetter“ und insgesamt die hervorragenden „Bedingungen“. Auf das Team gemünzt sagte Bierhoff, dass es „harmonisch“ zugehe, die Spieler aber auch „fokussiert und zielstrebig“ seien.
Müssen sie auch, denn BIerhofft warnte: „Für die FIFA wird es die gößte, für usn die schwierigste WM, weil wir werden gejagt sein. Alle haben Spaß daran, uns ein Bein zu stellen.“

Er zog Parallellen zu Anfang der 90er Jahre. In Italien wurde Deutschland Weltmeister, vier Jahre später galt der Kader als noch besser, aber die WM wurde „weggeschenkte“, so Bierhoff, der dabei den DFB Rekord- und Ehrenspielführer Lothar Matthäus zitierte. Auch diesmal gilt der Kader für einige Experten als stärker als vor vier Jahren beim Triumph in Brasilien. Doch mit den Gedanken an das Debakel von 1994 in den USA im Hinterkopf mahnt BIerhoff. „Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir fokussiert sind und großen Willen zeigen.“
Dabei ist es auch egal, welche 23 Akteure es am Ende aus dem vorläufigen 27er Kader ins endgültige Team schaffen. Bis auf Toni Kroos, der heute Abend das Champions League-Finale mit Real Madrid gegen den FC Liverpool bestreitet („Wir drücken ihm natürlich die Daumen“, so Bierhoff), sind seit gestern alle in Eppan versammelt. Jérôme Boateng reiste gemeinsam mit Bayern-Kollege Mats Hummels, der die Ankunft bereits freudig getwittert hatte, per Auto an. Im Laufe des Tages, an dem zwei Mal trainiert wurde und zahlreiche Sponsoren eingeladen waren, folgten nach und nach auch die Kollegen Josua Kimmich, Marc André ter-Stegen, Thomas Müller und Antonio Rüdiger. Am Nachmittag standen alle erstmals gemeinsam auf dem Platz. Boateng absolvierte dabei ein individuelles Programm.
Wann die täglich wachsende Fanmenge einmal auf die Anlage gelassen wird, dazu konnte Bierhoff keine Auskunft geben. Dies werde der Verband situativ entscheiden, schließlich spielen dabei auch Sicherheitsfragen eine große Rolle. Immerhin: „Wichtig“ sind die Fans laut Bierhoff, der versprach, dass es irgendwann ein öffentliches Training geben wird. So lange gilt: Nur wenn die Spieler selber den Kontakt zu ihren Anhängern suchen, können die sich über Autogramme oder Selfies mit ihren Idolen aus dem Trainingslager freuen.

Ruwen Möller

Kommentar

Ich lege mich fest: Bleibt Manuel Neuer fit und erleidet keinen Rückschlag in Sachen Mittelfußbruch, wird er bei der WM in Russland auch spielen. Der Kapitän wird als Nummer Eins von der ersten Minute an das Tor des Weltmeisters hüten. Weshalb das so ist? Der Bundestrainer Joachim Löw hat mir nicht etwa ein Geheimnis verraten, aber alles andere macht keinen Sinn. Ja, Marc-André ter Stegen hat eine überragende Saison gespielt und sich als Stammtorwart beim FC Barcelona etabliert. Dennoch hat er nicht die Aura und Klasse eines Manuel Neuer, Spielpraxis hin oder her. Der Schlussmann des FC Bayern München ist und bleibt der Beste seines Fachs. Er ist der stärkste Fußballer des Quartetts im vorläufigen Kader, zu dem auch Bernd Leno und Kevin Trapp gehören. Es war von vorneherein klar: einer muss gehen und ist Neuer fit, wird er es nicht sein. Mein Streichkandidat ist Trapp, der bei Paris in dieser Saison – obwohl nicht verletzt – nahezu nie gespielt hat.
Löw wird seine Entscheidung natürlich bis zuletzt zurückhalten, aber – auch da bin ich mir sicher – auch für ihn steht sie längst fest. Bleibt er fit, spielt Manuel Neuer.