Ein Tag im Juni

Handball

04. Juni 2018, 19:00 Uhr

Auf der Bühne vor der Halle ging die Post ab. Mannschaft und Fans feierten ausgelassen den Titelgewinn. Foto: Sascha Klahn

Flensburg. Der 3. Juni 2018 wird in Erinnerung bleiben. In den Köpfen der Fans, genau wie in den Annalen der Stadt Flensburg. Denn an diesem Tag im Juni gewann die SG Flensburg- Handewitt mit einem Sieg gegen Frisch Auf Göppingen zum zweiten Mal nach 2004 die Deutsche Handballmeisterschaft. Für viele junge Handball-Fans war es die erste Meisterschaft, die sie miterlebten. Für Astrid Jöhnck nicht. Sie ist bereits seit rund 30 Jahren treuer Fan der SG. 

Seit Ende der 80er Jahre schlägt in der Brust der Kielerin ein Flensburger Herz. Sie hat in dieser Zeit alle Höhen und Tiefen des Vereins miterlebt. Trotzdem ist der vergangene Sonntag auch für sie ein besonderer Tag. Und der beginnt früh.

10 Uhr

Astrid Jöhnck im Gespräch mit Lasse Svan. Foto: Ingrid Anderson-Jensen

»Gestern hab ich mich noch gefragt, warum alle so nervös sind. Aber heute morgen um fünf hab ich gemerkt: ok, jetzt bist du auch nervös. Und seitdem konnte ich dann auch nicht mehr schlafen. Aber das wird ja sowieso überbewertet«, erzählt Jöhnck. Sie sitzt gemeinsam mit rund 20 anderen Fans vom Fanclub die Wikinger im Café, um sich für den Tag zu stärken. Sie glaubt fest daran, dass die SG heute mit der Meisterschale die Halle verlässt. »Ist zwar eine Phrase, aber die Jungs müssen einfach nur ganz normal ihre Leistung bringen, dann wird das schon. So wie es ein Wunder wäre, wenn wir heute Meister werden, so ist es auch ein Wunder, wenn wir kein Meister werden. Die ganze Halle wird heute den Ball ins Tor tragen«, sagt der Vollblut-Fan.

12 Uhr

Schon lange vor Spielbeginn füllt sich der Lars-Christiansen-Platz vor der Flens Arena. Tausende Menschen versammeln sich auf dem nach dem Dänen benannten Vorplatz der Flensburger Halle. Auch Lars Christiansen selbst ist an diesem Tag in der Halle. Nachdem er 2004 selbst mit Flensburg Deutscher Meister geworden ist, will er sich eine mögliche zweite Meisterschaft natürlich nicht entgehen lassen. Auf den Treppen und vor der eigens aufgebauten Bühne vor der Halle ist schnell kein durchkommen mehr. Als um 13 Uhr die Flens Arena öffnet, werden bereits die ersten Fan-Gesänge auf den Tribünen angestimmt. Die Halle bebt unter den lauten »Flensburg-Handewitt«-Rufen. Dabei fängt das Spiel erst in zwei Stunden an.

14 Uhr

Auch beim Kollegen vom Bezahlfernsehen, Dennis Baier, war Robert Habeck ein gern gesehener Interviewgast. Foto: Tim Riediger

Die Halle ist mittlerweile zum Brechen voll. Auch Grünen-Chef Robert Habeck hat es sich nicht nehmen lassen, die Mannschaft anzufeuern und ist im Trikot in die Halle gekommen. »Ich erwarte, dass der Pott endlich kommt. Aber ich habe leider auch im Kopf, wie viele Dinger hier schon vergeigt wurden. Das Herz schlägt ganz schön schnell. Ich glaube, keiner hat damit gerechnet, dass die SG oben steht und es in der Hand hat. Ich hoffe nur, dass es nicht an den Nerven scheitert, aber da sollten die Fans helfen«, sagt der Politiker. Das hofft auch Astrid Jöhnck. »Die Anspannung in den letzten Tagen war extrem. Sie hat mich an die Zeit erinnert, als es bei der SG um den Abstiegskampf ging«, erzählt sie.

15 Uhr

Dann geht es endlich los. Die von Jöhnck angesprochene Anspannung ist auch während des Spiels zu spüren, denn Flensburg schafft es bis zum Ende nicht wirklich, sich einen Vorsprung aufzubauen. Während der Phasen, in denen Flensburg gegen Göppingen zurückliegt kann man die Luft in der Halle förmlich schneiden.

16.45 Uhr

Aus, Schluss, Feierabend, Flensburg ist Deutscher Meister! Der Jubel der 6500 Fans in der ausverkauften Flens Arena kann ohne Übertreibung als frenetisch beschrieben werden. Auch SG-Legende Lars Christiansen fällt nach Spielende ein Stein vom Herzen. Er kann sich vorstellen, wie sich die Spieler vor und während des Spiels gefühlt haben. »Alle erwarten, dass man Meister wird, das ist ein großer Druck. Und es war kein gutes Spiel, aber das bedeutet nichts heute. Sie haben die ganze Saison über oben mitgespielt und sind am Ende verdient Meister geworden«, sagt Christiansen. Auch der Schwede Oscar Carlén, der von 2008 bis 2011 bei der SG gespielt hat, hätte sich weniger Nervenkitzel gewünscht. »Das war schon spannender, als ich erwartet habe. Dass sie es am Ende schaffen, daran habe ich allerdings nicht gezweifelt. Aber mein Herz hat schon doll geschlagen. Viele von denen, mit denen ich damals gespielt habe, haben heute ihr letztes Spiel gehabt. Da waren schon viele Gefühle dabei«, sagt der ehemalige Nationalspieler. Sogar der dänische Regierungschef Lars Løkke Rasmussen schaute sich die zweite Halbzeit zusammen mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther in der Halle an, nachdem er zuvor der dänischen Årsmøde in Flensburg einen Besuch abstattete. Er zeigte sich besonders erfreut über die gute Leistung seines Landsmanns Rasmus Lauge. Der Staatsminister war bereits zum zweiten Mal in der Flens Arena, um ein Spiel der SG Flensburg-Handewitt zu verfolgen. »Wenn es sich einrichten lässt, dann komme ich natürlich immer gerne wieder. Die Stimmung hier in Flensburg ist fantastisch«, sagt Rasmussen.

18 Uhr

Die Stimmung ist tatsächlich fantastisch und scheint nicht nachzulassen. Auch nicht, als die Meisterfeier von der Halle nach draußen verlagert wird. Bierduschen von der Bühne, Menschen, die sich im Publikum in den Armen liegen. Doch es gibt auch einige rührselige Momente. Denn das Saisonfinale war für einige Spieler ihr letztes Spiel im Flensburger Trikot und die Meisterfeier für sechs Spieler gleichzeitig eine Abschiedsfeier. Es fließen Tränen, sowohl bei den Spielern, als auch bei den Fans im Publikum. Besonders, als die beiden SG-Urgesteine Thomas Mogensen und Jacob Heinl offiziell verabschiedet werden. »Ich liebe euch alle«, ruft Mogensen ins Publikum, und niemand zweifelt daran, dass der Däne es ernst meint. »Das geht schon nah. Aber für die Jungs ist es schön, dass sie ihren Abschied mit einem Grund zum Feiern verbinden können. Und man wird sich irgendwo wiedersehen, ganz bestimmt«, sagt Astrid Jöhnck.

23 Uhr

Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass das Ende der Meister- und Abschiedsparty so lange hinausgezögert wird, wie möglich. Stunde um Stunde wird getanzt und gesungen. Mehrmals kommen die Spieler zurück auf die Bühne, um die Menge anzuheizen. Am Ende gibt es noch ein Feuerwerk, die niemals Partymüden ziehen weiter in die Innenstadt, während andere langsam den Weg nach Hause suchen. Schließlich ruft für die meisten am nächsten Tag die Arbeit. Und so neigt sich auch der schönste Tag irgendwann dem Ende zu. Zurück bleiben eine Menge leere Plastikbecher auf dem Boden, Konfetti in den Haaren und jede Menge schöne, emotionale und vor allem unvergessliche Bilder im Kopf. Was tatsächlich an diesem Tag im Juni geschehen ist, das werden Spieler und Fans wahrscheinlich erst in ein paar Tagen begreifen. 


Lennart Adam

Resume

Søndagen blev en festdag for håndboldklubben SG Flensburg-Handewitt, byen, og tusindvis af tilskuere og fans, som fulgte kampen og festen, som varede til sent ud på aftenen. Denne spændende dag begyndte rigtig tidligt for nogen. For eksempel Astrid Jöhnck, der har været SG-fan i tre årtier. Hun var nervøs, fra hun vågnede klokken fem om morgenen søndag. Med fan-klubben »Die Wikinger« var hun til morgenmad fra kl. 10. Foran Flens-Arena stod der allerede fans klar længe inden kampen begyndte. Klokken 16.45 var den store triumf sikker, da SG klarede den med en smal 22-21-sejr. Fansene kom hurtigt ud af Flens-Arena og tusindvis af mennesker stod foran scenen. Så kom holdet, gav den gas, og det blev en lang, lang festaften.