Handball

Flensburg - die Stadt mit den meisten Punkten

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11. Juni 2019, 09:40 Uhr

Der alte und neue Deutsche Meister: die SG Flensburg-Handewitt. Foto: Martin Ziemer

Düsseldorf/Flensburg. Ganz vorne ging der Kapitän. Tobias Karlsson hatte die Meisterschale in der Hand, als er am Montag um 12:56 die Bühne auf dem Südermarkt enterte und Teil zwei der Meister-Party einläutete. Hinter ihm folgten die Teamkollegen, einige wie Magnus Rød oder Simon Jeppsson mit Sonnenbrillen, Hampus Wanne trug Hut und Brille, andere hatten die goldenen Meister-Medaillen um den Hals hängen. Sie alle waren gezeichnet von einer langen Saison und vor allem einer langen Nacht. Gegen drei Uhr endete das offizielle Fest im Deutschen Haus. Während die jungen Wilden um Gøran Johannessen noch weiterzogen und im Porticus bis in die frühen Morgenstunden feierten, legte sich Maik Machulla schlafen. Der Meistertrainer schlenderte am nächsten Tag gut gelaunt inmitten seiner Spieler aufs Podest. In seiner linken Hand hielt er eine Flasche Flens - Gold natürlich. 

»Ich habe tatsächlich ein bisschen Schlaf bekommen. Natürlich hat man noch viel Adrenalin im Blut, aber das ist okay«, so Machulla. Im Gegensatz zur Vorsaison, als die SG auf der Zielgeraden in einem hochdramatischen Endspurt Meister wurde und der Coach körperlich sowie mental völlig am Ende war, überwog diesmal Stolz. Und vor allem ist der Machulla-Akku nicht annähernd so leer wie 2018. 

In Düsseldorf gegen den Bergischen HC machte es sein Team am Ende auch spannender, als es den SG-Fans lieb war. Letztlich hieß es aber 27:24 (13:8) für die Gäste. Die SG gewann somit ihre zweite Schale in Folge und die dritte der Vereinsgeschichte. 

»Es hat auch diesmal viel Energie gezogen, aber es ist anders. Die Meisterschaft in Deutschland zu gewinnen, ist brutal schwer. Die Mannschaften sind so gut und die Liga derart ausgeglichen, dass man sich nichts erlauben kann«, so Machulla, dessen Mannschaft mit 64:4 Zählern am Ende nicht nur die meisten Punkte und einen neuen Vereinsrekord aufgestellt hatte. Es war auch die drittbeste Punkte-Bilanz der Bundesliga jemals. 

»Jetzt heißt es loslassen, Gas geben und stolz sein. Dass haben wir uns alle mehr als verdient«, sagte Machulla. Während er das tat, stand er mitten im ISS Dome in Düsseldorf, nur noch in Unterhose und mit einem Poloshirt bekleidet. Soeben hatte er im Radio eine Sondersendung gegeben und den Kollegen vorher noch gefragt: »Muss ich dafür eine Hose anziehen?«. Musste er nicht, und das war gut so. Denn die Klamotten von Machulla waren zu dem Zeitpunkt längst von Schweiß, Bier und Sekt getränkt. 

Sofort nach Spielende hatte die SG, die in Düsseldorf von bis zu 2500 Anhängern unterstützt wurde, den Party-Marathon eröffnet. 

Noch während die offizielle Meisterehrung aufgebaut wurde, hatte Karlsson in der Fankurve die ersten Gesänge und Tänze mit dem Publikum begonnen. Dabei ging sogar unter, dass die Handball-Bundesliga Rasmus Lauge als besten Spieler der Saison 2018/19 ehren wollte. Erst im zweiten Anlauf hörte der Däne, dass er aufgerufen wurde. 

Karlsson und Lauge gehörten an diesem Tag wie so oft zu den Protagonisten bei der SG. Sie sorgten für die Szene des Spiels. 

Beim Spielstand von 25:23 (58.) - nach einer souveränen ersten Hälfte, war der BHC im zweiten Durchgang noch einmal ganz dicht herangekommen - traf BHC-Shooter Fabian Gutbrod nur die Latte. Sowohl Karlsson als auch Lauge sprangen in die Luft, um den Abpraller zu erobern. Dabei rammte Karlsson seinen eigenen Teamkollegen um. Dieser blieb kurz liegen und hielt sich den Rücken. Doch nach einer Schrecksekunde ging es weiter, und das Wichtigste war: die SG war in Ballbesitz. Die Situation sagte viel darüber aus, mit welch unbändigem Willen Flensburg diesen Sieg und die Meisterschaft wollte. Karlsson, zuletzt am Rücken verletzt, ließ sich vor und auch während des Spiels fit spritzen. Und Lauge, der bereits vor über einem Jahr seinen Wechsel nach Veszprém bekannt gegeben hatte, warf sich bis zuletzt für die SG in jeden Zweikampf.

Die Feierbiester wurden losgelassen

»Das war der traumhafte Abschied für meine Zeit bei der SG und meine Karriere«, sagte Karlsson, dem alle Schmerzen hinterher egal waren. »Ich habe jetzt Urlaub, ich bin jetzt Handball-Rentner«, so der Schwede scherzhaft. Mit freiem Oberkörper schritt er nach der Meisterehrung durch die Halle, und irgendwann, als das letzte Interview gegeben war, in die Kabine zu seinen Teamkollegen. Als Karlsson mit einem Urschrei der Freude eintrat, floss dort längst das Flens in Strömen. Der Spielführer ging zu jedem einzelnen seiner Teamkollegen, umarmte ihn und bedankte sich für die gemeinsame Zeit. 


Da hatte er noch seine Stimme. Die war einige Stunden später weg. In der Chartermaschine nach Sonderburg ging es zwar noch relativ ruhig zu, doch dann wurden die Feierbiester losgelassen. Um kurz nach halb eins in der Nacht auf Pfingstmontag ging der alte und neue Meister im Deutschen Haus auf die Bühne und rockte mit seinen Anhängern ab. 

»Diese Fans sind unglaublich und zeigen uns, dass wir viel richtig gemacht haben«, sagte Machulla am Montag im Rahmen der Feier auf dem Südermarkt. »Es ist beeindruckend wie sie uns anfeuern, ob zu Hause oder auswärts und jetzt hier«. Kurz darauf begann der Coach sich von den ersten Spielern zu verabschieden. Einige mussten direkt zur Nationalmannschaft, andere haben sofort Urlaub. Der Cheftrainer genießt die Sommerpause ab Dienstag zunächst in Griechenland und sagte abschließend: »Dort werde ich am Strand liegen, einen guten Rotwein genießen und mich ein paar mal kneifen, was hier in dieser Saison wieder abgegangen ist.«

Ruwen Möller