Kiel: Spieler und Fans aus dem Häuschen
Fußball dritte Liga
»Wir holen die Meisterschaft und den Pokal, Holstein Kiel international«, peitscht vor allem der harte Kern auf der Westtribüne das Team von Beginn an nach vorne. Mit dem 1:0 durch Stefen Lewerenz groovt sich das Publikum ein. Als St. Pauli-Leihgabe Marvin Duksch zum 2:0 trifft, fängt man auf der Haupttribüne an, die Fangesänge aus dem »Westen« zu erwidern. Beim 3:0 (Eigentor) sind plötzlich alle akklimatisiert: Als sei das hier immer so gewesen, als sei Kiel eine Fußballstadt, in der es normal ist, dass am Wochenende rund Zehntausend ins Stadion gehen. Es sind die Vorboten eines Neuanfangs. In der kommenden Saison wird der Club rund sechs Millionen Euro TV-Gelder kassieren. In der 3. Liga waren es noch rund 850.000. Ob der Fanshop, der bisher nur sechs Stunden in der Woche geöffnet hatte, bald länger öffnen muss, ist unklar. Ob die Mitglieder des benachbarten Kleingärtnervereins weiter gemütlich mit dem Fahrrad aufs Trainingsgelände fahren können, ob sie dabei weiter - anders als bei den meisten Bundesligisten - eine nicht von Stahlgitterstreben verstellte Sicht genießen, muss sich zeigen. Nach dem Platzsturm durch die Fans, macht sich das Team im Autokorso zum Kieler Rathaus auf. Fahnenschwenkend wird das Gebäude gestürmt, in dem es an normalen Tagen eher beherrscht zugeht. Konfetti regnet auf die Spielerhäupter nieder, von denen manche mit Vokuhila-Perücken bestückt sind. Es geht zu wie beim Karneval, obwohl das Rheinland denkbar weit entfernt ist. »Oh, wie ist das schön«, singen Fans und Spieler gemeinsam. Da stehen nur noch ein geplantes Feuerwerk, eine Lasershow und eine durchzechte Nacht in Kiel zwischen dem Ende des Kieler Märchens und dem Anfang einer neuen Realität in Deutschlands zweithöchster Spielklasse - und natürlich das Finale des schleswig-holsteinischen Landespokals gegen den SV Eichede. Daran will an diesem Abend aber niemand denken.