Kliff der Guten Hoffnung

Auszeichnung

26. Januar 2016, 17:40 Uhr

Die Mannschaft des FC United oder auch das Team Sylt III. (Foto: TSV Westerland)

Westerland. Im medialen Scheinwerferlicht schillernd, hat sich das Nordsee-Eiland Sylt einen Markennamen geschaffen als »Insel der Reichen und Schönen«. Exquisite Sterneküche, exklusive Boutiquen, exorbitante Grundstückpreise - Sylt ist die Insel der Extreme. Doch der schöne Schein kann nicht überstrahlen, dass die Herausforderungen der Flüchtlingskrise auch hier greifen. Etwa 200 Asylsuchende sind derzeit auf Sylt untergebracht, weitere 400 sollen folgen - ein Kontrapunkt zum scheinbar unbeschwerten Inselleben. 

Dass diese nicht vergessen werden, ins gesellschaftliche Boot geholt werden - darum kümmert sich auf sportlicher Ebene die Initiative Sylter Integrationsfußball. Ein Licht im Dunkel des beschwerlichen Alltags zwischen Hoffen und Zweifeln, Heimweh und Ängsten. Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Bernd Frühling, Mitbegründer der Integrationshilfe Sylt e.V. 

Einstieg erleichtert

»Ich habe mich gefragt, wie man die Leute aus der eher passiven, tristen Unterkunftssituation für etwas Positives aktivieren und gewinnen kann. Da bei Vielen Fußball hobbymäßig an erster Stelle stand, haben wir dann einfach Worte in Taten umgesetzt«, so Frühling. Nach einem ersten Freundschaftsspiel in Keitum unter Teilnahme von Flüchtlingen im Jahr 2013 trat Frühling an den TSV Westerland heran, stellte seine Idee einer dauerhaften Flüchtlingsmannschaft vor. Der TSV trug das Projekt fortan mit, die Gemeinde stellte überdies eine Spielstätte zur Verfügung. Im August 2014 konnte die Integrationself ihr erstes reguläres Training abhalten, 15 Spieler aus mehreren insularen Asylunterkünften nahmen teil. Zwei Monate später war die Truppe dann offiziell in den TSV Westerland eingegliedert, alle Akteure fortan Vereinsmitglieder. Der Name der Mannschaft, die Nationalitäten, Schicksale, Hoffnungen zusammenbringt: FC United.

»Wir verstehen uns als Fußballfamilie und haben immer ein offenes Ohr für alle Sorgen und Nöte«, so Frühling über die Philosophie der Truppe, der nunmehr auch Deutsche angehören. »Das Akzeptieren und Respektieren der verschiedenartigen Kulturen steht bei uns im Vordergrund«, erklärt der als Betreuer fungierende Ideengeber. Seit der Saison 2015/16 nimmt der FC United als Team Sylt III nun auch am regulären Spielbetrieb der Kreisklasse B teil, pendelt Wochenende für Wochenende zwischen Eiland und Festland. Der sportliche Ertrag: überschaubar. Bislang gab es für die unerfahrene Elf keine Punkte und mehrere Klatschen. Der gesellschaftliche Ertrag dagegen: unermesslich. Und so dürften Spieler, Verantwortliche sowie alle Insulaner am Dienstag zu Recht mit Stolz nach Berlin blicken, wo dem Stammverein aus Westerland eine große Ehre zuteil wurde - er durfte als Schleswig-Holsteins Vertreter beim Bundesfinale der »Sterne des Sports« die Auszeichnung in Gold für 2015 aus den Händen von Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegennehmen. Zuvor hatte der TSV für sein Engagement bereits den Stern des Sports in Bronze und zuletzt als Landessieger in Silber entgegennehmen können. »Allein die Einladung war für uns eine besondere Ehre«, so Frühling. Der Fokus liege aber auf der Arbeit daheim: »Freundschaften werden geknüpft und so wird der Einstieg bei uns auf der Insel, fernab der Heimat, erleichtert.«

Hintergrund: Die »Sterne des Sports«

Der »Stern des Sports« in Gold ging nach Hessen. (Foto: Stephanie Pilick)

Die »Sterne des Sports« sollen das ehrenamtliche Engagement in Sportvereinen belohnen. Der Wettbewerb, den die Volksbanken Raiffeisenbanken gemeinsam mit dem Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) seit 2004 ausschreiben, geht über drei Stufen.


Bronze: Auf der lokalen Ebene schreiben die Volksbanken und Raiffeisenbanken die »Sterne des Sports« in Bronze aus. Sie versuchen möglichst viele Sportvereine aus der Region zu motivieren, sich für die »Sterne des Sports« zu bewerben. Wer hier nicht mitmacht, hat auch auf den folgenden Ebenen keine Chance mehr am Wettbewerb teilzunehmen. Eine Jury bewertet alle eingegangenen Bewerbungen und wählt daraus den Gewinner. Dieser wird mit dem »Großen Stern des Sports« in Bronze ausgezeichnet, verbunden mit einer Geldprämie von ca. 1500 Euro. Mit dem ersten Platz hat sich dieser Sportverein automatisch für das Landesfinale um die »Sterne des Sports« in Silber qualifiziert.

Silber: Auf der Landesebene, für die die Genossenschaftsverbände zusammen mit den Landessportbünden die organisatorische Verantwortung tragen, konkurrieren alle Bronzesieger aus einem Genossenschaftsgebiet um den »Großen Stern des Sports« in Silber. Die Auszeichnung ist in der Regel mit 2500 Euro dotiert. Auf dieser Ebene entscheidet eine weitere kompetente Jury über die Reihenfolge. Wer sich hier durchsetzt, hat als Landessieger den Sprung ins Bundesfinale um die »Sterne des Sports« in Gold geschafft.

Gold: Aus allen Landessiegern wird von einer Jury – bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der Medien und des Deutschen Städtetages - der Bundessieger gewählt. Dieser wird bei einer feierlichen Preisverleihung auf Bundesebene mit dem »Großen Stern des Sports« in Gold geehrt und kann sich auf ein Preisgeld von 10.000 Euro freuen. Die Verantwortung für das Bundesfinale liegt beim BVR und dem DOSB. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeichnete am Dienstag den VfL Bad Wildungen (Hessen) als Gesamtsieger für 2015 für seine integrative Arbeit mit Flüchtlingen und Asylsuchenden aus.

Zu Gast bei der Bundeskanzlerin

Westerland. Am Dienstag fand der Höhepunkt des Wettbewerbs »Sterne des Sports« 2015 in Berlin statt: die Vergabe der »Sterne des Sports« in Gold und die Bekanntgabe des Bundessiegers. Bundeskanzlerin Angela Merkel überreichte den bedeutendsten deutschen Breitensportpreis, den »Großen Stern des Sports« in Gold an den VfL Bad Wildungen (Hessen). Bei der Preisverleihung ebenfalls anwesend waren Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und Uwe Fröhlich, Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Nominiert für die Auszeichnung waren 17 Sportvereine aus ganz Deutschland, die bereits auf Lokal- und Landesebene mit dem »Großen Stern des Sports« in Bronze und Silber ausgezeichnet wurden. Zu diesen gehörte auch der TSV Westerland, der sich nun auch über die Gold-Auszeichnung freuen darf. Vor dem Festakt in Berlin sprachen wir mit TSV-Geschäftsführer Stefan Reimers. 

Flensborg Avis: Herr Reimers, am Dienstag wurden in Berlin die Gewinner der Sterne des Sports gekürt. Sie waren mit dem TSV Westerland als schleswig-holsteinischer Landessieger vertreten. Was haben Sie erlebt?

Stefan Reimers: Wir waren mit einer dreiköpfigen Vereinsdelegation in Berlin. Neben mir waren noch unser 1. Vorsitzender sowie Initiator und Teambetreuer Bernd Frühling und zwei Vertreter der Sylter Bank dabei. Es herrschte absolute Freude. Alleine der Gedanke, in Berlin für sein Bundesland vertreten zu sein - ein großer Erfolg. Es war einfach ein Anlass zur Freude. Sie wurden zuletzt mehrfach für Ihr gesellschaftliches Engagement geehrt. Das Projekt Integrationsfußball wird überregional anerkennend wahrgenommen. 

Was macht ihr Konzept einzigartig? 
Ich denke, die Schere zwischen dem, wofür die Insel manchmal steht und dem, was wir tun, macht es aus. Man verbindet Sylt mit den Schönen und den Reichen, während wir hier Integrationsarbeit für Flüchtlinge leisten. Das ist eine Kluft. Dabei sind wir nicht auf den Hype aufgesprungen, sondern schon seit 2013 dabei. 

Wie kam Ihnen die Idee zum Sylter Integrationsfußball? 
Die Initiative ging von Herrn Frühling aus, der damals an uns herangetreten ist und uns die Idee vorgestellt hat, ein Flüchtlingsteam innerhalb der Vereinsstrukturen zusammenzustellen. Wir waren gleich Feuer und Flamme für das Projekt - anfangs aber ohne das Ziel, am Spielbetrieb teilzunehmen. 

Gab es Vorbehalte gegen oder organisatorische Hürden für das Projekt? 
Zu Beginn gab es kleine Hürden auf organisatorischer Ebene, aber wir haben von der Hilfe des Kreises profitiert. Es wurde recht unbürokratisch abgewickelt, die erforderlichen Spielerpässe waren schnell ausgestellt. Vorbehalte gab es keine, die Bevölkerung hat das Projekt offen und positiv aufgenommen. Wir haben viele Spenden erhalten, und die Spendenbereitschaft hält weiter an. Seit der Saison 2015/16 ist der FC United als Team Sylt III in den Spielbetrieb der Kreisklasse B Nordfriesland eingegliedert. 

Wie ist die Zukunftsperspektive? 
Das ist ein langfristiges Projekt. Es geht nicht nur ums Fußballspielen, sondern auch um das kulturelle Leben im Vereinsheim. Zudem ist die Einbindung von Flüchtlingen und Migranten ins Vereinsleben nicht nur auf die Fußballsparte beschränkt. In den Sparten Schwimmen, Judo und weiteren Kampfsportarten registrieren wir verstärktes Interesse.

Marco Nehmer/rm