Maik Machulla: »Das macht etwas mit dir«

Handball

04. Juni 2018, 19:10 Uhr

Meistertrainer Maik Machulla. Foto: Tim Riediger

Flensburg. Maik Machulla sah am Tag nach der Meisterschaft und der dazugehörigen Feier frisch aus. »Ich habe mich zusammengerissen«, so die Erklärung des Meistertrainers der SG Flensburg-Handewitt, als wir ihn am Nachmittag zum Interview im »Piratennest« direkt an der Förde trafen. Bis 3 Uhr Nachts hatte Machulla durchgezogen und dann bis 11 Uhr ausgeschlafen. »Ich wollte die Feier genießen und aufsaugen. Deshalb bin ich nicht gleich nach Hause, sondern habe die Jungs später erst alleine gelassen.« Aufgesaugt hat Machulla vor allem die »Emotionen und Liebe« der Fans. »Diese Meisterschaft bedeutet den Leuten so viel, sie haben so viele Jahre darauf gewartet.« 

Während der großen Meistersause inklusive der emotionalen Abschiede der scheidenden Spieler hatte Machulla die große Bühne dem Team überlassen. Einen Teil der Feierlichkeiten verbrachte er im Backstage-Bereich und beobachtete die Szenerie von hier aus. Er war dabei im Kreise seiner Familie und den engsten Vertrauten. »Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden«, sagte er in einer ruhigen Minute und stellte immer wieder die Mannschaft und nicht seine Person in den Vordergrund. Dabei hätte er das tun können und niemand hätte es ihm verübelt. Machulla ist schließlich der zweite Trainer, der eine Meisterschale nach Flensburg geholt hat. Aber es ist sein Naturell, das Kollektiv an erster Stelle zu sehen. Man sah ihm an und spürte es, dass er stolz war und er im Laufe des Abends begann, dass Erreichte zu realisieren. Am Montag sagte er dann: »So langsam ist es angekommen, was wir da geschafft haben.« Direkt nach dem 22:21-Sieg gegen Göppingen war das verständlicherweise noch nicht der Fall. Da war es zunächst erstmal die große Erleichterung, die sich breit machte. Doch bereits da hatte Machulla bemerkenswerte weil sehr reflektierende Worte gefunden.

»Ich kann das nicht ein Leben lang machen«

»Jetzt ist es erst einmal eine große Leere und Erleichterung, dass wir das geschafft haben. Die letzten zehn Tage waren die Hölle. Ich habe auch schon gesagt: Ich kann das nicht ein Leben lang machen«, so Machulla unmittelbar nach Abpfiff. »Es ist ja der Wahnsinn. Die Leute drehen durch. Der Bäcker dreht durch, der an der Tankstelle dreht durch. Alle haben sie riesengroße Erwartungen und packen einem ein riesengroßes Paket auf die Schultern. Die Mannschaft ist mit diesem Rucksack auf dem Rücken gegen Göppingen losgelaufen. Und konnte den Erwartungen dann phasenweise nicht gerecht werden. Da sieht man dann auch, wie entscheidend der Kopf ist im Sport.« Machulla weiter: »Vor zehn Tagen bekamen wir auf einmal die Chance, Deutscher Meister zu werden. Und auf einmal hat man das Gefühl, wir können ganz viel verlieren. Das hat man gespürt. Und deswegen bin ich stolz, dass wir das hier geschafft haben. Art und Weise ist mir dann egal. Wir haben die zwei Punkte geholt. Ich hätte es aber gerne etwas entspannter gehabt.« Der 41-Jährige gab tiefe Einblicke in sein ganz persönliches Seelenleben. Auf die Nachfrage, ob Machulla, der bis 2020 Vertrag bei der SG hat, seinen Posten denn wenigstens noch ein paar Jahre machen kann, antwortete er: »Als ich vor sechs Jahren hier angefangen habe, war ich ein ganz hübscher Kerl. Jetzt gucke ich manchmal in den Spiegel und erschrecke mich. Ich frage mich dann, wer ist das denn? Das alles hier ist Schmerz und es sind Emotionen, die hoch und runter gehen. Die ganze Saison war eine emotionale Achterbahnfahrt und all das hier macht etwas mit dir. Nach dem peinlichen Aus in der Champions League in Montpellier kriegst du auf die Fresse, liegst Abends im Hotel und denkst, du hat den schlimmsten Job der Welt. Jetzt stehst du kurz darauf hier, bist Deutscher Meister und hast den besten.« In der Stunde des großen Triumphes war Machulla neben der Mannschaft auch wichtig, seinen Vorgänger zu erwähnen. »Ljubomir (Vranjes/Anm. d. Red.) hat dieses Team zusammengestellt. Ich habe eine intakte Mannschaft übernommen. Sicherlich habe ich Kleinigkeiten geändert, dass musste ich auch, aber Ljubo hat auch seinen Anteil daran.« Der Schwede hatte noch am Sonntagabend seine Glückwünsche an die SG per Twitter geschickt. In wenigen Wochen sehen sich die beiden Kumpels und können dann persönlich miteinander sprechen. In einigen Tagen steht für den SG-Trainer erstmal ein 14-tägiger Familienurlaub im Süden an. In dieser Woche will er erstmal ausschlafen und freut sich drauf, dass nicht ständig Termine, Training und Videoanalysen anstehen. Er wird bereits einige Dinge für die neue Spielzeit anschieben, so gilt es mit einigen Akteuren über die Zukunft zu sprechen, aber vor allem will Machulla »feiern, genießen und Demut« zeigen.


Ruwen Möller

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