Nadelstreifen- statt Trainingsanzug

Handball im Norden

23. August 2018, 13:49 Uhr

Für die polnischen Christdemokraten sitzt der ehemalige Flensburger Spieler und Co-Trainer seit 2014 im Europaparlament. Nun will er Bürgermeister von Kielce werden. Foto: Privat

Sechs Jahre war Bogdan Wenta in Flensburg aktiv, danach unter anderem Meister­trainer in Polen. Seit vier Jahren sitzt er nun im Europaparlament in Brüssel. Wir haben mit ihm über den Sport und seinen Wechsel in die Politik gesprochen.


Sechs Jahre war Bogdan Wenta in Flensburg aktiv, danach unter anderem Meister­trainer in Polen. Seit vier Jahren sitzt er nun im Europaparlament in Brüssel.
Wir haben mit ihm über den Sport und seinen Wechsel in die Politik gesprochen.

Der SG Flensburg-Handewitt verhalf Bogdan Wenta 2004 als Co-Trainer neben Kent-Harry Andersson zu ihrem ersten Meistertitel. Seit vier Jahren ist Wenta als Abgeordneter für die Fraktion der Europäischen Volkspartei, zu der auch die deutschen Abgeordneten von CDU und CSU gehören, im Europaparlament in Brüssel. Der gebürtige Pole besitzt sowohl einen deutschen, als auch einen polnischen Pass, war für beide Nationalmannschaften aktiv, hat für Barcelona in Spanien gespielt und das polnische Ritterkreuz für seine Verdienste bekommen. Ein Vorzeige-Europäer also, der 2014, nach zahlreichen nationalen und internationalen Meister- und Pokaltiteln, seinen Trainingsanzug an den Nagel hängte und diesen gegen eine stilvollere Stoffvariante samt Krawatte austauschte.

Eine herausragende Leistung

Durchsetzungsvermögen hatte Bogdan Wenta schon zu seinen aktiven Zeiten als Spieler. Archivfoto

Flensborg Avis: Bogdan, wie kam es eigentlich zum Wechsel vom Sport in die Politik?
Bogdan Wenta: Zu allererst, möchte ich meine herzlichsten Glückwünsche an die SG Flensburg-Handewitt zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft ausrichten. Das war eine herausragende Leistung. Doch darüber können wir später reden. Jetzt zu Ihrer Frage. Im Jahr 2014 stand ich vor der Entscheidung, weiter in der Sportwelt zu bleiben oder in die Politik einzutreten.
Die Wege von Kielce und mir als Trainer hatten sich nach sechs erfolgreichen Jahren (viermal polnischer Meister, fünfmal Pokalsieger, Red) getrennt. Ich hatte zwar Angebote von anderen Vereinen, aber ich habe mich mit meiner Familie zusammengesetzt und mich danach entschlossen, andere Wege zu gehen. So habe ich eine neue Herausforderung gewählt und bin seitdem als Abgeordneter für die Region Swietokrzyskie, zu deutsch Heiligkreuz, im Europaparlament vertreten.

Dieser Übergang geschah sehr schnell. Konnten Sie Erfahrungen aus Ihrer Zeit im internationalen Sport mit in ihren neuen Aufgabenbereich nehmen?
Natürlich. Vor allem die Sprachkenntnisse, die Erfahrung im Aufbau von Beziehungen mit Menschen, die Zusammenarbeit in der Gruppe und die alten Kontakte aus der Zeit meiner Sportkarriere haben mir geholfen, neue Kontakte und Kooperationen bei den wichtigen Entscheidungen zu knüpfen. Durch den Sport war es mir einfacher, Türen zu öffnen. Außerdem wusste ich bereits, was es heißt für etwas zu kämpfen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, sich den Finger zu brechen und trotzdem weiterzuspielen.

Wie muss man sich denn Ihre Aufgabe als Abgeordneter vorstellen? Was sind ihre Aufgabengebiete?
Ich bin in zwei Ausschüssen vertreten, dem sogenannten »CULT«-Ausschuss für Kultur, Bildung, Jugend und Sport und dem Entwicklungsausschuss.
Sport ist für mich verständlicherweise sehr wichtig, er ist heutzutage ein bedeutender Industriezweig. Im Entwicklungsausschuss bin ich mit verantwortlich für die Kooperation und den Aufbau von armen und weniger entwickelten Ländern, besonders in Afrika. Wir verteidigen Menschenrechte und organisieren humanitäre Hilfe vor Ort. Die Flüchtlingsthematik in Europa ist in diesem Zusammenhang natürlich ein großes Thema. Wenn wir die Fluchtursachen nicht bekämpfen, dann werden die Populisten immer stärker werden.

Sie sprechen den wachsenden Populismus an. Dieser, und der damit verbundene Nationalismus, ist sowohl in Ihrer polnischen, als auch in ihrer deutschen Heimat immer stärker spürbar. Wie schätzen Sie diese Entwicklungen ein?
Sie sind sehr gefährlich und widersprechen den Ideen und demokratischen Werten von Europa: in Vielfalt verbunden. Wir haben anscheinend die Zeiten vergessen, in denen Europa durch diese Denkweisen in Kriege gestürzt wurde. Dieses Thema ist mir auch persönlich sehr wichtig, denn ich selbst war auch immer ein Fremder in Europa, in Barcelona, genau wie zu meiner Zeit in Deutschland. Sogar in Handewitt haben meine Nachbarn genau darauf geachtet, wie ich meinen Müll trenne und wie oft ich meinen Rasen mähe. Viel genauer, als bei meinen deutschen Nachbarn. Dieses Denken bekommt man nur durch den Dialog aus den Köpfen der Menschen raus.


Einige verrückte Dinge passiert

Kommen wir zurück zum Sport. Sie haben bereits die Leistung der SG in der letzten Saison angesprochen. Wie haben Sie den Meisterkampf ihres alten Vereins verfolgt?
Leider nicht so intensiv, wie ich es gerne gewollt hätte. Aber zumindest die Champions League-Spiele konnte ich mir ansehen. Aber natürlich habe ich auch die Bundesliga verfolgt. Ich war überrascht, dass die Löwen versucht haben Spielchen zu spielen, wie etwa, ein Junioren-Team zur Champions League nach Kielce zu schicken. Die Rechnung haben sie bekommen. Flensburg auf der anderen Seite hat bis zum Schluss gekämpft, hat sein kämpferisches Gesicht gezeigt. Diese Philosophie und die deutsch-skandinavische Familie, zu der das Team über die Jahre zusammengewachsen ist, hat ihnen letzten Endes zum Erfolg verholfen. Keiner hat ihnen etwas geschenkt.

Glauben Sie, dass die SG in dieser Saison mit dem neuen Team an den Erfolg anknüpfen kann?
Es wird eine schwere Aufgabe, denn jeder will den Meister jagen, besonders Kiel.
Flensburg spielt im Pokal, der Champions League und der Bundesliga in drei Wettbewerben. Hinzu kommt die zusätzliche Belastung durch die Weltmeisterschaft.
Es ist schön Meister zu sein, aber sehr schwer, Meister zu bleiben.
Aber ich bin optimistisch. Flensburg ist ein Beispiel dafür, dass es am Ende nicht auf die Einzelspieler ankommt, sondern auf die Gemeinschaft. Und ich sage bewusst Gemeinschaft und nicht Mannschaft, denn auch die Fans, die ganze Stadt, die Gemeinde Handewitt, das alles gehört zusammen. Und am Ende muss man nicht den Gegner überzeugen, sondern sich selbst.

Wie sieht denn Ihre persönliche Zukunftsplanung aus? Treten Sie erneut für das EU-Parlament an? Oder können Sie sich eine Rückkehr zum Handballsport vorstellen?
Ich habe bereits in Handewitt sportlich mit Kindern gearbeitet und setze diese Arbeit auch in Kielce fort. So kann ich etwas zurückgeben und das gibt mir sehr viel. Politisch habe ich mich entschieden, die nächste Herausforderung anzunehmen und an der Wahl des Bürgermeisters meiner Stadt Kielce teilzunehmen.

Als letztes müssen Sie mir noch verraten, was an der Geschichte dran ist, dass bei der Meisterfeier 2004 die Meisterschale nachts beim Feiern abhanden kam und erst am nächsten Tag wieder auftauchte, als sie von einem Fan zu Ihnen gebracht wurde?
(Lacht) Ich sag nur so viel: wir hatten viel Spaß, die Freude über den Titel war enorm, wir konnten es genauso wenig begreifen wie die Fans. Da sind einige verrückte Dinge passiert. Diese Dinge jedenfalls, genau wie die vielen anderen Erinnerungen an Flensburg, die kann mir keiner wegnehmen.

Was Bogdan Wenta davon hält, dass dieses Jahr keine Deutsche Mannschaft das Final Four in Köln erreichte? Und was er zu Manni Werner sagte, als dieser ihn 2000 nach Flensburg holte? Das ganze Interview gibt es auf FL-Arena.de.

Lennart Adam

Fakten

Position:
Rückraum, Trainer, Politiker
Geburtstag:
19. November 1961
Geburtsort:
Szpęgawsk/Polen
Nationalität:
polnisch, deutsch
SG von/bis:
2000 bis 2006
Sonstige Vereine
Wybrzeże Gdańsk, Bidasoa Irún, FC Barcelona, TuS Nettelstedt,
Als Trainer: SC Magdeburg, KS Vive Kielce
Länderspiele:
185 für Polen, 50 für Deutschland
Erfolge: Unter anderem Polnischer Meister 1984, 1985, 1986, 1987, 1988, als Trainer 2009, 2010, 2012, 2013, Träger des Ordens Polonia Restituta (Ritter),
Vizeweltmeister 2007