Startschuss mit guten Nachrichten

Fußball

24. Mai 2018, 23:45 Uhr

Joachim Löw gab sich entspannt auf der ersten Pressekonferenz in Südtirol. Foto: Ruwen Möller

Girlan. „Gibt es noch eine Frage?“ Nach 49 Minuten Pressekonferenz hatte Joachim Löw noch nicht genug und bekam Nachschlag. Eine Kollegin wollte vom Bundestrainer wissen, ob er abergläubisch sei und das DFB-Team deshalb erneut im Trainingslager in Südtirol. 2014 hatte Deutschland schließlich hier den Grundstein für den späteren WM-Titel gelegt. „Nein, ich bin nicht abergläubisch, deshalb sind wir nicht hier“, so Löw.
Zu Beginn des ersten offiziellen Pressetermins hatte Löw die Gründe noch einmal aufgezählt: „Kompliment an Südtirol. Die Vorbereitungen waren super und wir haben die Dinge so vorgefunden, wie wir es im Vorfeld besprochen haben. Wir fühlen uns wohl hier und genießen beste Bedingungen. Der Platz ist in einem top Zustand, wir haben kurze Wege und das Hotel lässt auch keine Wünsche übrig.“
Der Weltmeister-Trainer machte deutlich, dass es „3, 4 Themen“ gäbe, an denen vordergründig in den nächsten 14 Tagen gearbeitet werden muss, um „Die Mannschaft“ erneut in titelreife Form zu bringen. Im Fokus stehen dabei die Personalie Manuel Neuer, die Reduzierung des Kaders um 4 Spieler und die individuelle Trainingssteuerung. „Trikotgate“, die Personalie Sandro Wagner, die Final-Niederlage des FC Bayern München oder gar das schwache Abschneiden der Bundesliga im internationalen Vergleich sind dagegen nicht Löws Themen in der WM-Vorbereitung, die mit guten Nachrichten begann.

Kapitän Neuer ist fit und trainiert voll mit. Der 8 Monate lang verletzte Keeper, der 2014 in Brasilien die Nummer 1 war, machte einen guten Eindruck in der Vormittagseinheit am Donnerstag. Davon konnten sich sämtliche Medien ausführlich überzeugen. Der DFB hatte das Training kursfristig für über eine halbe Stunde für die Presse geöffnet. Nicht aber für die Öffentlichkeit. Zahlreiche Fans hatten sich rund um die abgesperrte und hinter Sichtschutz versteckte Trainingsanlage versammelt. Zu Fuß und auf Fahrrädern waren sie durch den angrenzenden Wald gekommen. Doch vergeblich. Sie blieben außen vor und sahen nicht, dass Neuer „alle Belastungen voll tolerieren kann“, wie es Löw hinterher ausdrückte. Wenn der Bayern-Schlussmann am Ende des Trainingslagers bzw. am 4. Juni (dann muss der endgültige Kader stehen) bei 100 Prozent ist und „keine Probleme“ hat, dann will Löw ihn mit nach Russland nehmen. So kündigte es der DFB-Coach gestern an.
Zu dem zuletzt mit Rückenbeschwerden ausgefallenen Mesut Özil sagte er: „Mesut geht es gut. Er wurde nochmal untersucht und ist belastbar“. Der Offensivmann von Arsenal London müsse laut Löw „sicherlich etwas aufholen“, doch dies sei ohnehin ein Kernpunkt der ersten Tage: die „Individualität“ bei der Trainingssteuerung, um alle auf „ein Niveau zu führen“. Dafür seien auch Sonderschichten nötig, wie sie Özil gemeinsam mit Sebastian Rudy, Jonathan Tah und Marco Reus bereits am Donnerstag absolvierte, während die Teamkollegen im Fitnesszelt zum „Cool Down“ verschwanden.
Eine weitere Untersuchung steht heute für Jérôme Boateng an. Danach wird laut Löw „entschieden“, ob der Bayern-Verteidiger „am Freitag oder erst am Sonnabend oder Sonntag anreist“. Der Trainer rechnet damit, dass der Münchner im „Laufe der nächsten Woche ganz oder teilweise ins Mannschaftstraining“ einsteigen kann. Spätestens am Sonntag möchte Löw seine Elf in der Teamtaktik schulen, schließlich gilt es, „Details auf dem Platz zu erarbeiten.“
Am Ende gab es noch 2 weitere letzte Fragen. Auch die beantwortete ein gut gelaunter Löw bereitwillig und auskunftsfreudig. Der erste Tag war für alle Seiten ein guter Start ins Trainingslager.


Ruwen Möller

Kommentar

Wer wie ich normalerweise von Handball-Großereignissen wie Welt-, Europameisterschaften, einmal auch den Olympischen Spielen, Bundesliga und Champions League berichtet, der ist schon beeindruckt. Was rund um die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Trainingslager (nicht der WM selber, sondern im Trainingslager) vor den Titelkämpfen in Russland aufgefahren wird, ist bemerkenswert. Das Medienzentrum und vor allem das Presseaufgebot kann es leicht und locker mit dem bei einer Handball-WM – wohlgemerkt der Meisterschaft selber – aufnehmen. Ob ich das gut oder schlecht finde? Ich bin hin- und hergerissen. Fußball ist meine Sportart von klein auf. Ich bin mit dem WM-Triumph 1990 quasi zum Sportler geworden. Von daher finde ich es absolut interessant, spannend und bin auch dankbar, dass ich hier meinen Beruf ausüben darf. Ich weiß aber auch, was ich an der bodenständigen und menschgeblieben Welt des Handballs habe und so sehr schätze. Vieles von der aufgeblähten Käseglocke im Fußballs kann und will ich nicht verstehen. Ich will mir nicht ins eigene Fleisch schneiden und es ist erst Tag 2 gewesen, aber am Ende sind es ein paar Jungs in kurzen Hosen, die mit den Füßen gut mit dem Ball umgehen können. Beeindruckender dann doch nicht.


Ruwen Möller