Wehmütig und abgeklärt - »hejdå Matze«

Karriereende

16. Mai 2018, 00:20 Uhr

Titelhamster Mattias Andersson. 2012 gewann er mit der SG den Europapokal der Pokalsieger, die Trophäe fehlte ihm damals noch in seiner Sammlung. Es folgten 2013 der Supercup (unten links), 2014 die Champions League (oben rechts) und 2015 der DHB-Pokal (unten rechts). In seiner 23-jährigen Karriere hat der Schwede alle bedeutenden Vereinstitel gewonnen. Archivfotos

Nach 23 Jahren Profi-Handball, davon sieben bei der SG Flensburg-Handewitt, stellt Mattias Andersson am Saisonende seine Karriere ein. Wir haben den »alten Schweden« zu einem Abschieds-Interview getroffen.


Handewitt. Noch drei Spiele, dann ist es soweit: Mattias Andersson wird nach 23 Jahren Profi-Handball seine einmalige Weltkarriere einstellen. »Natürlich kommt jetzt etwas Wehmut auf, aber ich bin auch klar mit meiner Entscheidung und ich freue mich auf die Zeit danach«, so Mattias Andersson. Der Schwede hat für unser Abschieds-Interview zu sich in den Garten nach Handewitt eingeladen. Die Sonne strahlt und Kaffee-Liebhaber Andersson genießt einen großen Becher vom schwarzen Gold auf seiner Terrasse. Dafür war im stressigen Handball-Alltag nicht immer Zeit, doch in Zukunft wird sich das ändern. Wenn am 3. Juni gegen Frisch Auf Göppingen ein letztes Mal der Vorhang fällt, ist Andersson »frei«. 
Mit seiner Frau Anna und den beiden Kindern Elis und Livia geht es zurück in sein Heimatland. Unweit von der südschwedischen Küstenstadt Ystad wartet ein nagelneues Haus auf die Anderssons. Familie, Freunde und die neue Bleibe, darauf freut sich der 40-Jährige am meisten. »Ich freue mich besonders auf das Haus und hoffe, dass wir ein wenig zur Ruhe kommen und ein etwas geordneteres Leben führen, das nicht mehr fremdbestimmt von Spielen und Training ist«, so Andersson, der 2001 als 23-Jähriger ausgezogen ist, um die große Handball-Welt zu entdecken. Und das hat er getan. Nach einigen Monaten als Aushilfe beim ruhmreichen FC Barcelona ging es zum nicht minder legendären THW Kiel. Sieben Jahre, fünf Deutsche Meisterschaften und einen Champions League-Sieg später zog es ihn zum TV Großwallstadt. 2011 der Wechsel nach Flensburg. »Wir haben uns überall wohlgefühlt«, so der Torwart. »Hier in Flensburg und Handewitt war es jedoch etwas ganz Besonderes. In Kiel waren wir noch alleine, mittlerweile haben wir zwei Kinder und dadurch auch ein ganz anderes Netzwerk abseits des Handballs. Wir hätten uns auch vorstellen können, hier zu bleiben. Bei der SG gibt es ein ganz tolles Umfeld und das macht es hier zu etwas Besonderem.« Es war jedoch die Sehnsucht nach Freunden und dem Rest der Familie, die Andersson und seine Lieben zurückzieht. Die ersten Koffer sind bereits gepackt und einige Dinge, die nicht mit umziehen werden, auch schon verkauft. Die Kinder sind laut Andersson auch auf den Ortswechsel vorbereitet und freuen sich drauf.

Eine schöne Reise

Es wird für alle ein »neues Leben«, so Andersson, der aber keine Angst hat, dass ihm langweilig wird. Er wird in Zukunft als Torwarttrainer für die Nationalmannschaft in Österreich arbeiten. Das A-Team spielt gleich in der ersten Juni-Woche in der WM-Qualifikation gegen Weißrussland. »Da habe ich nochmal eine schöne Tour vor mir«, so Andersson mit einem Schmunzeln. Es sind u.a. die vielen Reisen bei einem Spitzenverein wie der SG, die ihn dazu bewogen haben, aufzuhören. »Es sind nicht die Spiele, es sind die Reisen und die ständige mentale Vorbereitung die es anstrengend machen«, hatte Andersson im vergangenen Sommer gesagt, nachdem er sein Karriereende angekündigt hatte. Doch warum Österreich? »Vor einem Jahr habe ich einen Torwart-Kurs gegeben und dort ist der Kontakt entstanden. Ich habe mich mit deren Cheftrainer Patrekur Jóhannesson gleich gut verstanden. Zudem reizt es mich, dass die EM 2020 in Österreich, Schweden und Norwegen stattfindet«, erklärt Andersson, der außerdem für den schwedischen Sportartikelhersteller »Salming« tätig sein wird und eine Ausbildung in Stockholm machen möchte. Dabei geht es darum Führungskräfte aus der Wirtschaft zu coachen. Andersson möchte seine Erfahrungen aus dem Sport einbringen. Gleiches wird er bei Ystad IF tun. Dort hat er mit 17 Jahren 1995 seine ersten Einsätze in der schwedischen Eliteserien gehabt. Jetzt will er etwas zurückgeben und wird sich auch dort um das Torwarttraining kümmern. Außerdem wird Andersson auch in Sachen Torwarttrainer-Ausbildung für den DHB (Deutscher Handball-Bund) arbeiten und dafür im September zurückkehren. Apropos Rückkehr: Der alte Schwede will sich für den Fall der Fälle auch fit halten. »Ich muss und will einfach weiter trainieren, um meine ganzen Wehwehchen nach all den Jahren im Griff zu haben. Und wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann irgendwo einen Notfall, dann möchte ich auch bereit sein«, so Andersson, der durchaus auch in diesem Sommer noch hätte weitermachen können. »Es gab genug Angebote«, so der Familienvater. Doch sein Entschluss steht und jetzt freut er sich auf die letzten drei Spiele. Theoretisch ist sogar noch die Meisterschaft drin, doch selbst wenn das nicht klappt, auch der erneute Rang zwei wäre für Andersson ein Erfolg. »Die Saison hatte Höhen und Tiefen. Natürlich will man immer mehr, aber wir waren wieder im Viertelfinale der Champions League und wenn wir die erneute Qualifikation dafür schaffen, ist die gesamte Spielzeit definitiv kein Debakel«, so Andersson. Zeit zum reflektieren über die gesamte Karriere gab es noch nicht. »Man ist irgendwie noch mittendrin, doch in ein paar Jahren werde ich sicherlich stolz auf meine Karriere blicken können«, so Andersson, der auf Vereinsebene alle großen Titel gewonnen hat.

Es wird emotional

Über zwei Jahrzehnte Top-Niveau: Mattias Andersson. Archivfoto

Was seine Flensburger Zeit angeht, so ist ihm vor allem wichtig, dass er »immer alles gegeben« hat. »Ich habe und trage das Trikot der SG mit Stolz.« Insgesamt hat er 368 Spiele (3 Tore) für die Spielgemeinschaft im hohen Norden bestritten. Zum x-ten Mal ist er auch in dieser Spielzeit wieder der Bundesliga-Torwart mit den meisten Paraden. Er hat mit Flensburg zwei Europapokal-Titel, den DHB-Pokal und einmal den Supercup geholt. Zudem gewann er als Flensburger 2012 die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen. Jetzt ist Schluss. »Mein letztes Spiel wird emotional, dass weiß ich«, so Andersson. »Ich habe es in den letzten Jahren bei anderen Abschieden gesehen. Bei mir ist es noch etwas ganz Besonderes, da ich schließlich meine Karriere ganz beende.« 


Ruwen Möller 

FAKTEN

Andersson bei der SG:

Vertrag: 2011 bis 2018 
Erfolge: 2. Platz Bundesliga 2012, 2013, 2016, 2017, 2018; Deutscher Pokalsieger 2015; Pokalfinalist 2012, 2013, 2014, 2016 und 2017; Super Cup Sieger 2013; Champions League Sieger 2014; Spieler des Jahres in Schweden 2013/2014; Europapokal der Pokalsieger 2012 
SG Spiele: 368 (3 Tore)