Kandidaten für den Fall der Fälle

Handball

18. Januar 2017, 11:40 Uhr

Bleibt er oder geht er? Die Zukunft von Ljubomir Vranjes ist nicht geklärt. Flensborg Avis hat sich mögliche Nachfolge-Kandidaten für den Fall der Fälle angeschaut. (Foto: Lars Salomonsen)

Paris/Flensburg. Die Spekulationen um einen vorzeitigen Abschied von Cheftrainer Ljubomir Vranjes (Vertrag bis 2020) beim Handball-Bundesligisten SG Flensburg-Handewitt reißen nicht ab (wir berichteten mehrfach). Der vermögende ungarische Spitzenklub Telekom Veszprém ist stark an einer Verpflichtung des schwedischen Erfolgstrainers interessiert. Denkbar scheint, dass der 43-Jährige in einer Kombination aus Vereins- und Nationaltrainer zugleich die ungarische Nationalmannschaft auf Vordermann bringen soll. Aber nicht sofort: sowohl Vranjes selbst (»Ich lasse meine Jungs nicht im Stich«) als auch SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke (»Natürlich kommt er wieder«) schlossen einen sofortigen Weggang kategorisch aus. »Nach der WM« soll laut Vranjes eine Entscheidung fallen.

Flensborg Avis zeigt einmal auf, wer Vranjes als SG-Cheftrainer beerben könnte, sollte es zu einem vorzeitigen Ende der Zusammenarbeit in diesem Sommer kommen. Für alle möglichen Nachfolger würde gelten: das Erbe von Erfolgs-Coach Vranjes ist groß.

Christian Berge: Seit Februar 2014 Nationaltrainer Norwegens. Im Januar 2016 schrammte er mit seinem Heimatland nur hauchdünn an einer EM-Medaille in Polen vorbei. Bei der WM steht Norwegen unter seiner Leitung bereits im Achtelfinale. Laut der Internetseite TV2.no gilt der Nationalcoach als »heißer Kandidat« in Flensburg. Berge sagte dazu: »Ich konzentriere mich auf die WM und habe keinen Kommentar. Was hinterher passiert werden wir sehen«. Er war von 1999 bis 2006 Spieler bei der SG Flensburg-Handewitt und wurde 2004 Deutscher Meister. Berge, der eine schwere Krebserkrankung überwunden hat, ist 43 Jahre alt und somit im besten Alter. Kann gut mit jungen Spielern umgehen und mit Magnus Rød wechselt ein Landsmann aus dem WM-Kader im Sommer zur SG. Berge kennt Flensburg und die SG, ist in der Region unglaublich beliebt. Als er Flensburg verließ, sprach er seinerzeit von »auf Wiedersehen« und vor sechs Jahren nannte er den SG-Trainerposten als einen »Traum«. Er ist einem SG-Engagement gegenüber also sicherlich nicht abgeneigt. Zudem hat sein Berater, Christian Henriksen, beste Kontakte zur SG, da dort auch etliche Spieler (Thomas Mogensen, Rasmus Lauge, Kevin Møller, Anders Zachariassen und Lasse Svan) spielen, die der Däne vertritt.


Gudmundur Gudmundsson: Seit Juli 2014 Cheftrainer Dänemarks. Machte die Dänen im Sommer 2016 gerade erst zum Olympiasieger. Mehr geht fast nicht. Momentan mit den dänischen Handballern bei der WM in Frankreich unterwegs und einer der heißen Titelanwärter. Der Isländer hört in Dänemark auf, wenn sein Vertrag am 1.Juli 2017 endet. Gudmundsson, der für sein Heimatland einst 230 Länderspiele bestritt, war u.a. bereits isländischer Nationaltrainer (2001-2004 und 2008-2012) und coachte das Team zu Olympia-Silber (2008) und EM-Bronze (2010). Vorteil: Gudmundsson spricht Deutsch, nicht zuletzt aufgrund seiner Trainertätigkeiten beim TSV Bayer Dormagen und den Rhein-Neckar Löwen. Er ist allerdings schon 56 Jahre alt. Laut unseren Informationen soll er jedoch mit Paris St. Germain in Verbindung stehen.

Ola Lindgren: Von 2008 bis 2016 gemeinsam mit Staffan Olsson Coach der schwedischen Nationalmannschaft. Der 52-Jährige kennt Deutschland und die Bundesliga aus seiner Zeit als Spieler (u.a. 1998-2003 HSG Nordhorn) und Trainer (HSG Nordhorn, 2003-2009, und Rhein-Neckar Löwen (2009-2010) zur Genüge. Machte einst als Spieler 376 Länderspiele. Coacht den schwedischen Verein IFK Kristianstad, wo sein Vertrag im Sommer allerdings ausläuft. Er wäre frei und würde ins Bild passen, schließlich hat die SG seit 2003 immer einen Schweden auf der Bank.

Maik Machulla: Der ehemalige Spielmacher assistiert Ljubomir Vranjes seit Sommer 2012, obwohl er seine Spielerkarriere erst nach der Saison 2013/2014 beendete. Als im Februar 2015 acht SG-Spieler ausfielen gab er mit 38 Jahren sein Comeback auf der Platte. Der in Greifswald geborene Machulla wäre eine mutige Wahl. Eine Cheftrainer-Aufgabe gleich bei einem internationalen Spitzenklub. Vorteil: könnte den eingeschlagenen Weg der SG fortsetzen. Nachteil: er würde sicherlich immer mit seinem einstigen Chef verglichen werden. Fraglich ob er sich das antun will oder Vranjes lieber folgt? Die beiden spielten von 2002 bis 2006 gemeinsam in Nordhorn, arbeiten bereits lange zusammen und sind gut befreundet. Andererseits wäre der SG-Cheftrainer-Posten für ihn persönlich eine große Chance.


Klavs Bruun Jørgensen: Der 42-jährige Däne ist aktuell Nationaltrainer der Frauen-Nationalmannschaft in seiner Heimat. Im Dezember steht die WM in Deutschland an und er müsste aus seinem laufenden Vertrag aussteigen. Vor allem bei den dänischen Spielern genießt er hohes Ansehen und war als Co-Trainer dabei, als Svan, Mogensen und Co. 2014 bei der Heim-EM Silber holten. Kurz darauf stand Vranjes bereits einmal vor dem Absprung, damals nach Paris und laut unseren Informationen soll sich die SG seinerzeit bei Jørgensen erkundigt haben, ob er im Fall der Fälle zur Verfügung stehen würde. Möglicherweise haben die Verantwortlichen dies erneut getan, immerhin beschäftigt sich die SG laut Schmäschke intern bereits mit dem Szenario, dass Vranjes gehen könnte. Der 185fache ehemalige dänische Nationalspieler (440 Tore) und zweifache EM-Bronzemedaillen-Gewinner (2002 und 2004) Jørgensen spielte 1998/99 für Wallau-Massenheim und besitzt somit auch Deutsch-Kenntnisse. Genau wie bei Berge heißt der Berater von Jørgensen Henriksen. 

Marc Reese/Ruwen Möller 

Ein Kommentar von Marc Reese

Wer nicht bleiben will, soll gehen

Reisende sollte man bekanntlich nicht aufhalten. Das gilt auch für Ljubomir Vranjes. Wenn der Cheftrainer der SG Flensburg-Handewitt unbedingt zum ungarischen Spitzenklub Telekom Veszprém will, dann sollte der Verein ihn ziehen und sich das sehr gut bezahlen lassen. Und das am besten sofort! Warum? Ein Trainer, der in den kommenden Monaten zwangsläufig in wichtige Entscheidungen seines künftigen Arbeitgebers involviert ist, kann nicht mehr die 100-prozentige Aufmerksamkeit auf seine jetzige Mannschaft richten. Das kann die hochambitionierte SG, die den Gewinn der Meisterschaft 2016/2017 anstrebt und als momentaner Tabellenführer die Trümpfe in eigener Hand hält, gerade jetzt nicht gebrauchen. Das aber ist unwahrscheinlich. Vranjes wird wiederkommen und die Saison zuende spielen. Das haben der Trainer (»Ich lasse die Jungs nicht im Stich«) und Geschäftsführer Dierk Schmäschke (»Natürlich kommt er wieder«) gesagt. Eine Entscheidung soll erst nach der WM fallen. Die Gerüchte, Berichte und Spekulationen um die Zukunft ihres Erfolgstrainers (Vertrag bis 2020) können nicht gut sein und die SG-Verantwortlichen nicht freuen, selbst wenn sie intern vielleicht schon mehr wissen. Viele Fans jedenfalls sind von der Ungewissheit zunehmend genervt. Sicherlich wäre es grandios für die SG und ihre Anhänger, wenn »Ljubo« bliebe. Erst recht, wenn er sich noch möglichst viele weitere Jahre zur SG bekennt. Oder wenn der Schwede, der zweifelsohne einer der allerbesten Trainer dieser Welt ist und wunderschönen Handball zelebrieren lässt, vor allem die Deutsche Meisterschaft selbst noch nach Flensburg holt. Kann, muss aber nicht. Die These erscheint ein bisschen gewagt, doch diese eingespielte, kluge Mannschaft mit verlässlichen Eckpfeilern wie Tobias Karlsson, Thomas Mogensen, Lasse Svan, Mattias Andersson oder Holger Glandorf ist so gefestigt, dass sie es mit einer wohlüberlegten (immerhin weiß der Verein seit Monaten Bescheid) externen Trainer-Lösung oder dem bisherigen Co-Trainer Maik Machulla bereits in dieser Saison zum Titel schaffen könnte. Um die SG Flensburg-Handewitt muss man sich bei einem vorzeitigen Vranjes-Abgang, der finanziell so richtig die Kassen klingeln ließe, keine Sorgen machen. Das Gerüst der Mannschaft steht, der Verein ist für potenzielle Neuzugänge attraktiv, hat einen ausgezeichneten Ruf und tolle Fans. Der Gedanke fällt schwer, doch es würde auch ohne Ljubomir Vranjes weitergehen.

Resume

Afgørelsen træffes først efter VM i Frankrig, men muligheden er der for, at Ljubomir Vranjes forlader SG Flensburg-Handewitt til sommer, tre år inden hans kontrakt udløber i 2020. Træneren har som bekendt et tilbud fra Veszprém i Ungarn. Flensborg Avis har kigget på mulige efterfølgere. Kandidater er den norske landstræner Christian Berge, SG-assistent Maik Machulla, de danske landstrænere Gudmundur Gudmundsson (herre), Klavs Bruun Jørgensen (damer) eller svenske Ola Lindgren.