Das Abschluss-Zeugnis

SG Flensburg-Handewitt

Thomas Bleicher
06. Juni 2016, 08:44 Uhr

Rasmus Lauge (am Ball) ist bei der SG Flensburg-Handewitt eingeschlagen wie eine Rakete. (Archivfoto: Carsten Rehder, dpa)

Flensburg. Aus und vorbei. Die Saison 2015/2016 ist beendet für die Handballer der SG Flensburg-Handewitt. In der Meisterschaft (hinter den RN Löwen) und dem DHB-Pokal (Final-Niederlage gegen den SC Magdeburg) wurde die SG Flensburg-Handewitt jeweils Zweiter, in der Champions-League kam das Aus für den Triumphator aus dem Jahre 2014 im Viertelfinale gegen den späteren Titelträger KS Vive Tauron Kielce (Polen).

Die Sportredaktion zeigt auf, wie sich die einzelnen SG-Akteure aus unserer Sicht geschlagen haben:

Lauge Klassenbester - Glücksgriff für die SG

Note 1:
Rasmus Lauge (Rückraum, momentan verletzt): In seiner ersten Saison bei der SG Flensburg-Handewitt bereits absoluter Leistungsträger. Hat alle überstrahlt. Spürt im Gegensatz zu seinem Ex-Verein THW Kiel und auch in der dänischen Handball-Nationalmannschaft in Flensburg das absolute Vertrauen seines Trainers Ljubomir Vranjes. Lauge warf viele wichtige Tore für die Fördestädter und ist im Angriff Dreh- und Angelpunkt des SG-Spiels. Aufgrund eines Riss des Außenmeniskus im Knie verpasste der Däne den Saisonendspurt. Lauge ist ein Glücksgriff.

Note 2:
Kentin Mahé (Rückraum, Außen):Gerade in der Endphase der Saison zeigte sich, wie wichtig dieser vor der Saison vom HSV Hamburg geholte Franzose ist. Ob auf Außen, im Rückraum, oder mit Spezialaufgaben in der Deckung - der Wirbelwind ist der Alleskönner. Und wird immer wertvoller für seine SG. Seine Verpflichtung erweist sich als goldrichtig.

Lasse Svan (Rechtsaußen):Hatte im Saisonendspurt eine kurze Durststrecke, ansonsten ist der Däne »Mister Zuverlässig«. Nimmt man die Siebenmeter einmal weg, dann gehört der Däne zu den fünf erfolgreichsten Schützen dieser Bundesliga-Saison.

Ljubomir Vranjes (Cheftrainer): »Ljubo« zieht sein Ding durch. Hat immer wieder taktische Schachzüge parat. Die SG hat eine enorm positive spielerische Entwicklung genommen - ganz klar die Handschrift von Ljubomir Vranjes. Erstmals seit längerem gewann der Schwede, trotz eines hochkarätig und breit aufgestellten Kaders, in dieser Saison keinen Titel. In den entscheidenden Hop- oder Top-Spielen (Champions-League-Viertelfinale gegen Kielce, Pokalfinale gegen den SC Magdeburg) hat er sein Team nicht zum Erfolg gecoacht. Das dürfte ihn ärgern - und zu neuen Erfolgen antreiben.

Tobias Karlsson (Kapitän, Abwehrspezialist):Der Leitwolf der SG-Riege, gibt als Kapitän den Ton an. Hat als Abwehrchef maßgeblichen Anteil daran, dass die SG hinter den Rhein-Neckar Löwen gemessen an der Anzahl der Gegentore die zweitbeste Abwehr stellte. Spielte eine gute Saison und ist im Abwehrverbund noch immer schwer verzichtbar.

Kresimir Kozina (Kreisläufer): Der EM-Bronzemedaillengewinner mit Kroatien, im Herbst als Reaktion auf die Zachariassen-Verletzung geholt, fügte sich schnell und erfolgreich ins SG-Team ein. Vorn wie hinten ein Mehrgewinn an Qualität. Seine Zukunft liegt indes (vorerst?) nicht bei der SG sondern bei den Füchsen Berlin. Schade.

Note 3 für die SG-Torhüter

Eckpfeiler des SG-Spiels: Die Routiniers Holger Glandorf und Kapitän Tobias Karlsson. (Foto: Sebastian Iwersen)

Note 3:
Holger Glandorf (Rückraum rechts): Wenn der Weltmeister von 2007 einen Lauf hat, ist er kaum zu stoppen. Leidenschaft, Herz, Wille, Kampf und Moral zeichnen ihn seit Jahren aus. Und seine Routine. Allerdings auch mit starken Schwankungen in seinen Leistungen. Weil mit Johan Jakobsson ein guter Mann in der Hinterhand ist, bekommt der Linkshänder Ruhepausen. Glandorf ist enorm wichtig.

Kevin Møller (Tor): Joker, der fast immer gestochen hat. Wenn er die Chance unter der Latte bekam, hat er sie auch genutzt. Strahlt Ruhe und Sicherheit aus. Noch viel Entwicklungspotenzial.

Mattias Andersson (Tor): Der Routinier im SG-Tor hat über die Saison gesehen seine Leistung gebracht. Selbst mit 38 Jahren zählt der Schwede, der sich intensiv auf Partien vorbereitet, noch zu den besten Keepern der Welt. Spiele wie am 2. Dezember gegen die RN Löwen, als er nahezu keinen Ball zu fassen bekam, sind bei Andersson rar.

Johan Jakobsson (Rückraum): Wenn er an seine EM-Form anknüpft, ist er eine ganz starke Waffe. Sein enormes Potenzial lässt der Schwede immer wieder aufblitzen. Hat mit Holger Glandorf große Konkurrenz, bekommt aber von Trainer Vranjes viele Spielanteile. Allerdings spielte gerade Jakobsson mit vielen Höhen und Tiefen, wirkt teilweise verunsichert.

Anders Zachariassen (Kreisläufer): Bis zu seiner schweren Verletzung (Kreuzbandriss im Herbst 2015) ein Leistungsträger am Kreis und in der Deckung. hat nach seinem Wechsel von SønderjyskE zur SG eine phantastische Entwicklung genommen. Gab zwar vor einigen Wochen sein Comeback, es wird aber dauern, bis der Däne wieder der Alte ist. Dennoch: Zachariassen gehört die Zukunft.

Bogdan Radivojevic (Rechtsaußen): Steht im Schatten von Lasse Svan. Hätte weitaus mehr Spielanteile verdient. Wenn der Serbe die Chance bekommt, überzeugt er vor allem im Angriff, dabei oft mit sehenswerten Treffern. Seinen Gegenspielern oft physisch unterlegen. Kann in der Offensive eine Waffe sein, hinten deutlich steigerungsfähig.

Henrik Toft Hansen (Kreisläufer): Wurde eigentlich als Nummer eins am Kreis geholt, um das Zentrum in der Abwehr zu stärken. Konnte sich am Anfang der Saison aber nicht richtig gegen Anders Zachariassen durchsetzen. Ist aber nach der Zachariassen-Verletzung mit seinen Aufgaben gewachsen. In der Abwehr eine Bank, im Angriff mit Unsicherheiten.

Jim Gottfridsson (Rückraum): Mit Höhen und Tiefen. Der Schwede musste sich nach langer Verletzungspause zurückkämpfen. Sucht immer noch nach seiner Form und der Selbstsicherheit, die er vor seiner Verletzung hatte.

Thomas Mogensen (Spielmacher): Leitet noch immer das Spiel, gibt die Anweisungen und ist Kopf der Mannschaft. Schießt auch wichtige Tore. Der Däne hat aber nicht mehr so oft die Hand am entscheidenden Pass und wirkte müde. Phasenweise nicht mehr so souverän wie früher. Noch immer aber nicht wegzudenken aus der SG-Truppe.

Wanne, Eggert und Djordjic hinten

Note 4:
Hampus Wanne (Linksaußen): Der Schwede muss sich mittlerweile gegen zwei starke Konkurrenten behaupten und hat meist das Nachsehen. Große Momente, wie der entscheidende Siebenmeter im Champions-League-Halbfinale 2014, zeigen, dass er durchaus Potenzial hat. Fehlende Routine und Einsatzzeiten ließen den 22-Jährigen im Schatten stehen.

Anders Eggert (Linksaußen): Der Däne beweist immer noch, dass auf ihn in wichtigen Phasen Verlass ist (ebnete der SG mit seinem Siebenmeter im Pokal-Halbfinale gegen die RN Löwen den Weg ins Finale). Die starken Leistungen von Mannschaftskollege Kentin Mahé sowohl auf Außen als auch als Siebenmeter-Schütze zeigen, dass er sich in Zukunft mehr beweisen muss. Der trickreiche Außen versteckt sich, phasenweise sieht man ihn überhaupt nicht. Der Druck auf Eggert nimmt zu.

Petar Djordjic (Rückraum links): Der Serbe ist einer der wenigen richtigen Shooter im SG-Team, dennoch kommt der mit großen Erwartungen vom HSV zurückgekehrte Rückraumspieler kaum zum Zuge. Djordjic muss hinter der starken Konkurrenz Lauge und Gottfridsson zurückstecken und kommt über sporadische Einsatzzeiten nicht hinaus. Von ihm muss mehr kommen. Aber: im Gegensatz zu seinen Teamkollegen bekam Djordjic auch bislang keine Chance, sich zu empfehlen. Ihm sollte Vranjes mehr Vertrauen schenken.

Jacob Heinl (ohne Bewertung) bleibt der große Pechvogel

Vom Pech verfolgt: Jacob Heinl bei seinem Comeback. Kurz darauf verletzte er sich erneut und bleibt deshalb ohne Bewertung. (Archiv: Axel Heimken, dpa)

Ohne Bewertung:
Jacob Heinl (Kreisläufer): Der Pechvogel schlechthin. Nachdem er im Dezember 2014 schwer an einer Virusinfektion erkrankt war, erlebte das Eigengewächs im Februar 2016 ein umjubeltes Comeback. Doch das Glück währte nur kurz. Aufgrund eines Sehnenrisses im Leistenbereich kurze Zeit später ist Heinl erneut außer Gefecht gesetzt. Die SG verlängerte kürzlich seinen Vertrag um ein weiteres Jahr bis Sommer 2017, es ist aber fraglich, ob Heinl jemals wieder an seine alte Leistungsstärke anknüpfen wird. Kämpferherz hat der 29-Jährige auf jeden Fall.

Von Marc Reese