»Wir werden wieder angreifen«

Dierk Schmäschke im Interview

Thomas Bleicher
07. Juni 2016, 07:30 Uhr

SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke. (Foto: Tim Riediger)

Flensburg. Eine intensive, spannende und anstrengende Saison ist vorbei für die Handballer der SG Flensburg-Handewitt. Im Interview mit Flensborg Avis spricht SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke über die abgelaufene Saison, die Personalplanung sowie die Ziele in der Saison 2016/2017. 


Flensborg Avis: Herr Schmäschke, eine Saison mit 58 Spielen der SG Flensburg-Handewitt ist soeben zuende gegangen. Mit welchem Gefühl gehen Sie nun in die Pause?
Schmäschke: Mit einem guten. Allerdings fehlt so ein bisschen das I-Tüpfelchen und Sahnehäubchen. Wir hätten gerne einen Titel in den Händen gehabt. Wir haben eine tolle Saison gesehen.

»Unglaublich gute Rückserie gespielt«

Ich denke da insbesondere an das Final4 in Hamburg (Die SG erreichte das Finale, unterlag dort dem SC Magdeburg, Red.). Wir haben auch die Chance gehabt, in der Champions League wieder das Final4 in Köln zu erreichen - unglückliche Entscheidungen im Viertelfinale in Kielce haben dann leider zum Ausscheiden geführt. Wir haben eine unglaublich gute Rückserie gespielt und in dieser Saison alle Großen geschlagen: Paris, die Rhein-Neckar Löwen, sogar viermal den THW Kiel. Wir haben als Vizemeister die direkte Champions League-Qualifikation geschafft - darauf können wir stolz sein. Wir gehen in unsere 22. internationale Saison in Folge. Das spricht für eine hohe Konstanz. Aber wie gesagt: es wäre schön gewesen, etwas hochhalten zu können.

Und spielerisch?
Schmäschke: Ich glaube, dass wir den besten Handball seit langem hier gespielt haben. Wenn nicht sogar den besten, den es hier jemals gab. 


Was liegt denn bei Ihnen nun an. Oder hat ein SG-Geschäftsführer nun auch mal Zeit zum Durchschnaufen?Schmäschke: Der erste Termin war heute um 9 Uhr. Es geht darum, die neue Saison vorzubereiten. Wir sind nun auch gespannt auf den 1. Juli, die Champions-League-Auslosung in Wien. Terminplanung und Sponsorengespräche sind momentan die Schwerpunkte. Richtig Urlaub gibt es für mich erst etwa Ende Juli. 

Und Ihre Spieler?
Schmäschke: Viele der Spieler haben aufgrund von WM-Qualifikationsspielen oder Olympia in Rio überhaupt keinen Urlaub. In diesem Jahr muss man da wirklich improvisieren und wir haben eigentlich keine richtige Vorbereitung. 

»Wir planen vorausdenkend«

Hat das bereits bei der Kaderplanung vor der Saison 2015/2016 eine Rolle gespielt? Durch die Zugänge von Kentin Mahé, Rasmus Lauge, Henrik Toft Hansen und Petar Djordjic hat sich die SG schließlich auch in der Breite verstärkt.

Schmäschke: Ja genau. Wir planen vorausdenkend. Das müsste nun ein Vorteil sein gegenüber anderen Mannschaften. Dass wir eingespielt sind und die Spieler sich kennen. »Kreso« (Kreisläufer Kresimir Kozina, Red.) wurde dann im Nachgang geholt. Nun müssen wir allerdings leider auf Rasmus Lauge verzichten. Das tut weh. Dennoch sind wir gut aufgestellt. 

Sie sprechen Kresimir Kozina an. Warum muss er wieder gehen und könnte es für ihn eine Rückkehr zur SG geben?Schmäschke: »Kreso« hat uns super geholfen. In einer Phase, wo Anders Zachariassen davor auf einem unglaublich hohen Level gespielt hat. Wir sind ein Verein, der für Vertragstreue steht. Und wir haben vor einem Jahr zwei Jahre voraus geplant. Wir sind schon mit den finanziellen Möglichkeiten am Limit. Aber unabhängig davon: wir werden mit Kreso in Kontakt bleiben. Er hat sich selbst dafür entschieden, bei den Füchsen Berlin für nur ein Jahr zu unterschreiben. Eine Garantie dafür, dass er wiederkommt, kann ich aber nicht geben. Man hat aber gesehen, dass er gut ins Team passt. Aber auch Anders Zachariassen wird wieder fit. Er war auf dem Sprung in die Nationalmannschaft: das darf man nicht vergessen. 

Was wird eigentlich aus dem jungen Michael Nicolaisen, der in der vergangenen Saison an den Zweitligisten TV Emsdetten ausgeliehen war?
Schmäschke: Wir haben seine Entwicklung genau im Blick. Er wird jetzt wahrscheinlich zurückkommen und die Vorbereitung mitmachen. Wir haben ihn und auch Lukas Blohme (Zweitspielrecht für ASV Hamm-Westfalen, Red.) im Auge. Lukas entwickelt sich gut bei Hamm. Aber nochmal zu Michael: er hat das Potenzial, am Ende aber entscheidet der Trainer. Rasmus Lauge fehlt uns nun wohl in der gesamten Hinserie. Vielleicht profitiert Michael davon. Wir hoffen zudem, dass auch in der Liga bald 16 statt 14 Spieler eingesetzt werden dürfen (Flensborg Avis berichtete, Red.). 

»Meinetwegen kann Mattias bis 45 spielen«

Im Sommer 2017 laufen mehrere Verträge aus, unter anderem von Torwart Mattias Andersson, Tobias Karlsson, Anders Eggert, Lasse Svan oder Holger Glandorf. Streben Sie da zeitnahe Vertragsverlängerungen an, oder wird es im Sommer 2017 einen größeren Umbruch geben?

Schmäschke: Zunächst einmal hat bereits ein Kern von Spielern Verträge über 2017 hinaus. Kentin Mahé, Henrik Toft Hansen, Kevin Møller, Hampus Wanne oder Rasmus Lauge. Es bestehen Kontakte und es gibt erste Gespräche, es ist aber zu früh, diesbezüglich konkret zu werden. Und zuerst sprechen wir immer mit unseren Spielern.

Torwart Mattias Andersson ist 38. Hat er schon mal signalisiert, ob er dann weitermacht?
Schmäschke: Mattias hält auf so einem hohen Niveau: der kann meinetwegen bis 45 spielen. Es hängt auch von seiner Zukunftsplanung ab. Meiner Meinung nach ist er nach wie vor einer der besten Torhüter Europas. Ich finde aber auch, dass Kevin (Møller, Red.) sich gut entwickelt. Das hat man im Spiel am Sonntag erst wieder gesehen. 

Wie sehen Sie die Entwicklung von Petar Djordjic, der vor der Saison vom HSV Hamburg zurückgeholt wurde, aber verhältnismäßig wenig spielt?
Schmäschke: Ich glaube, ihm fehlt dieses eine Spiel: ein persönliches Erfolgserlebnis. Ich denke, er ist selbst auch nicht ganz zufrieden. Ich habe aber auch Spiele gesehen, in denen er uns wirklich geholfen hat, etwa gegen Kiel oder Berlin. Ich wünsche ihm, dass er zu dem Niveau findet, das er und wir erwarten. Er muss es dann aber auch zeigen.

In der abgelaufenen Bundesliga-Saison gab es fast bis zuletzt einen Titel-Dreikampf mit den Rhein-Neckar Löwen und dem THW Kiel. Im Gegensatz zur SG aber bekommen die Löwen und der THW aufgrund zahlreicher Zu- und Abgänge ein verändertes Gesicht. Erwarten Sie erneut einen Dreikampf ganz oben?
Schmäschke: Man muss sehen, wie sich der Umbruch bei den Löwen und auch Kiel auswirkt. Wir müssen auf uns schauen und konzentriert beginnen. 

Können Sie das konkretisieren?
Schmäschke: Wir haben im ersten Saison-Drittel gerade Zuhause einige Punkte liegen gelassen (Die SG hatte in der Endabrechnung Zuhause fünf, auswärts vier Minuszähler auf dem Konto, Red.). Das lag auch daran, dass sich die neu formierte Mannschaft erst noch finden musste. Das brauchte Zeit. Ich hoffe, dass es diese Anlaufzeit in der neuen Saison nicht braucht und jeder seinen Platz gefunden hat. Diesbezüglich leistet unser Trainer Ljubomir Vranjes hervorragende Arbeit. 

»Die Arbeit bei der SG ist ein Fulltime-Job«

Apropos Vranjes. Im April gab es einigen Wirbel, weil Schweden ihn offenbar gerne als Nationaltrainer hätte. Ist eine Doppelfunktion auf dem Niveau überhaupt möglich?

Schmäschke: Grundsätzlich ja. Es hat eine Anfrage gegeben, aufgrund der Vielzahl an Spielen aber ist das nicht machbar. Das haben wir gemeinsam entschieden. Damit ist das Thema nun erledigt. Die Arbeit bei der SG ist ein Fulltime-Job. 

Deutschland wurde am 31. Januar in Krakau Handball-Europameister. Von der SG Flensburg-Handewitt war kein Spieler dabei. Schmerzt das?
Schmäschke: Wir hätten liebend gerne einen Europameister. Wir haben perspektivisch das Ziel, auch deutsche Nationalspieler in unseren Reihen zu haben. Doch es muss auch passen. Der Spieler muss zur SG passen und die nötige Qualität haben. Doch wir bemühen uns, haben verstärkt Fokus auf die eigene Jugend. Die Flensburg Akademie und unser Trainerteam werden noch enger kooperieren, damit der ein oder andere den Sprung in die erste Mannschaft schafft. So wie bei Michael oder Lukas. Ein schwerer Weg. 

Was sind die Erwartungen für die nächste Saison? 
Schmäschke: Wir freuen uns. Wir wollen wieder in allen drei Wettbewerben angreifen. Eine Garantie, dass wir in den Wettbewerben ganz oben mitspielen, kann es nicht geben. Es gibt viele starke Mannschaften, viele davon mit finanziell weitaus besseren Möglichkeiten. Was wir hier machen ist Weltklassehandball.

Interview: Marc Reese