BMX - MIT VIDEO

Ein Wandler zwischen den Welten - MIT VIDEO

BMX - MIT FOTOSTRECKE

Thomas Bleicher
24. Juli 2019, 16:30 Uhr

Der Wandler zwischen den Welten: Paul Thölen: Foto: Tim Riediger

Flensburg. Wenn Paul Thölen zu einem seiner waghalsigen Sprünge mit dem BMX abhebt, verlässt er die Erde für einige Sekunden und begibt sich in eine andere Welt. Er ist dann der Herr der Lüfte und führt in teilweise atemberaubenden Höhen sagenhafte Tricks durch. Thölen, aktuell einer der besten Deutschen BMX-Freestyle-Fahrer, macht das mal nur zum Spaß, bei Fun-Events. Ein anderes mal ist es Ernst, wenn es beim Worldcup um wichtige Qualifikations-Punkte für die Olympischen Spiele 2020 geht. 

Der 20-Jährige ist dafür auf der ganzen Welt unterwegs. Von Europa geht es nach Amerika, Asien oder Australien. Dazwischen zieht es ihn immer wieder nach Hause, zu seinen Eltern in Düsseldorf und zu seiner Freundin, die in Flensburg die dänische Schule besuchte. In vielerlei Hinsicht ist Paul Thölen ein Wandler zwischen den Welten. Wir trafen ihn im BMX- und Skatepark Schlachthof des Vereins Sportpiraten Flensburg e.V. und sprachen mit ihm über die BMX-Szene, die sich beim Thema Olympische Spiele spaltet, seine Verbindungen zur Fördestadt und über ein Weihnachtsgeschenk, das sein Leben nachhaltig geprägt hat.  

Paul Thölen im Mirror Park 2017. Foto: Sebas Romero/Red Bull Content Pool

Flensborg Avis: Die Freestyle-Variante des BMX ist 2020 erstmals bei den Olympischen Spielen im Programm. Bisher ist es eher als Streetkultur bekannt. Du bewegst dich in beiden Welten – problemlos?

Paul Thölen: Es ist ähnlich wie vor einigen Jahren, als Snowboarden olympisch wurde. Damals hat sich die komplette Szene aufgeteilt, in Befürworter und diejenigen, die dagegen waren. Ich habe das Gefühl, dass es beim BMX auch so ist. Ich bewege mich wirklich irgendwo dazwischen, sehe aber keinen Nachteil in der olympischen Bewegung. Ganz im Gegenteil: Ich bin jetzt im Nationalteam und bin dadurch bei tollen Events dabei. Du hast also kein Problem mit den Olympischen Spielen? Nein und ich glaube das haben viele BMXer nicht. Es geht ihnen eher darum, dass sie finden, das BMX generell nicht zu den Olympischen Spielen passt. 

Das Stichwort ist in dem Zusammenhang Kommerzialisierung? 
Auch, aber vor allem ist es extrem schwer einen Contest beim BMX zu bewerten. Eine faire Bewertung ist schwierig. Beim 100 m-Sprint gewinnt der Schnellste, bei uns ist es eine relative Sache. Ähnlich wie beim Eiskunstlaufen entscheidet eine Jury ... Richtig. Dadurch das es jetzt erstmals um wichtige Punkte für die Olympia-Qualifikation geht, gibt es bei jedem Weltcup mittlerweile eine üble Anti-Stimmung gegenüber den Judges. Ich finde das nicht gut und würde mich nie über eine Bewertung beschweren. 

Was ist dir lieber: Fahren um des Fahrens willen oder bist du eher der Wettkampftyp? 
Beides. Ich mag auch Wettbewerbe, aber ich fahre am liebsten einfach mit Freunden zusammen. Kleine Contests wie der Butcher Jam in Flensburg (Thölen wurde in dieem Jahr Zweiter/Red.) sind cool, weil es sehr familiär zugeht. Auf der anderen Seite ist ein Event wie in Montpellier (Worldcup im Mai/Red.) wo man vor 20.000 Leuten fährt auch klasse. 

Du bist viel unterwegs, zählst du deine Reisetage? 
Nein, aber im letzten Jahr war ich mehr auf Reisen als zu Hause (in Düsseldorf, wo er bei seinen Eltern wohnt/Red.). Gerade im Sommer bin ich für einige Monate jedes Wochenende auf Events. 

Die finden auf der ganzen Welt statt. In Europa, Asien, Australien, Amerika, aber du bist auch oft in Flensburg, nicht nur, wenn der Butcher Jam ansteht. Deine Freundin lebt hier? 
Ja genau, Jule und ich habe uns beim Butcher Jam kennengelernt und ich bin so oft wie möglich hier. Sie ist auch oft bei mir und selbst auf Reisen haben wir uns schon getroffen. 

Du bist natürlich auch schon oft in Flensburg im BMX- und Skatepark Schlachthof des Vereins Sportpiraten Flensburg e.V. gefahren, wie findest du die Anlage dort? 

Die Anlage ist richtig gut, es ist eine der besten in Deutschland. Es ist im hohen Norden natürlich auch oft etwas windig, aber die Rampen sind top und ich fahre gerne hier. 

Sprechen wir mal über Japan, wo im Sommer 2020 in Tokio die Olympischen Sommerspiele stattfinden. Warst du schon mal dort? 
Ja, schon zwei Mal und ich finde es richtig cool in Japan. Es waren bisher meine geilsten Reisen. 

Bist du ein Fan der Olympischen Spiele, hast du dir frühere Veranstaltungen im Fernsehen angeschaut? 
Absolut, ich bin ein großer Fan. Ich habe immer viel Sport gemacht, Leichtathletik, Fußball und Handball und mich auch immer für die Olympischen Spiele interessiert. Wenn man dort einmal als Sportler dabei sein dürfte, das wäre schon riesig und ist ein Ziel von mir.

Wie kann dein Weg nach Tokio aussehen? 
Zunächst muss sich Deutschland einen Platz im Nationen-Ranking sichern (derzeit Platz 14/Red.). Dies tun wir als Team. Wenn das geschafft ist, wird ein Fahrer nominiert. Nach dem Weltcup in Montpellier war ich führender und wäre dabei gewesen. Es ist aber schwierig, dass wir uns überhaupt als Mannschaft einen Platz sichern. Die Konkurrenz ist groß und gut. Außerdem geht es nur um neun Startplätze, wovon einer bereits von Gastgeber Japan belegt ist. Im November bei der WM in China wird es wohl die letzte Chance geben. 

Drehen wir die harten Qualifikations-Kriterien doch mal um. Wenn du es schaffst, ist bei nur neun Teilnehmern der Weg zu den Medaillen nicht weit? 
Das stimmt, aber es erstmal unter diese neun zu schaffen wäre schon der größte Erfolg überhaupt. 

Im Interview: BMX-Talent Paul Thölen. Foto: Tim Riediger

Wie ist das Standing von euch BMXern im deutschen Radsportverband? 

Durch die Goldmedaille von Lara Lessmann und Evan Brandes bei den Youth Olympics vor einem Jahr in Argentinien haben wir das beste Standing. Auch, weil Lara eine Goldhoffnung für Tokio ist. Aber so viel mit den anderen Radsportlern haben wir gar nicht zu tun. 

Aber Lara Lessmann, die viele Jahre in Flensburg gelebt und auf der Anlage der Sportpiraten, dem BMX- und Skatepark Schlachthof gefahren ist, muss sich auch erst qualifizieren? 
Es ist unwahrscheinlich, dass sie es nicht schafft. Bei den Frauen gibt es wesentlich weniger Konkurrenz und Lara ist nicht nur die Führende in Deutschland, sie ist auch international in der Spitze unterwegs. Sie fährt ganz vorne mit. 

Wie sieht ein typischer Tag im BMX-Leben von dir aus. Wie viel Zeit verwendest du aufs Trainieren, wie viele Stunden am Tag sitzt du auf deinem BMX-Bike? 
Das ist sehr verschieden, je nach Lust und Laune und vor allem kommt es aufs Wetter an. Im Winter fahre ich zum Beispiel nicht so oft, auch weil ich Angst habe mich zu sehr zu pushen und irgendwann vielleicht keine Lust mehr habe. Aber im Sommer, wenn gutes Wetter ist, fahre ich jeden Tag und auch lange. In Düsseldorf und Umgebung habe ich innerhalb einer Autostunde fünf, sechs verschiedene Parks. Auch bei uns um die Ecke gibt es eine Möglichkeit. 

Aber es steht keine Rampe bei deinen Eltern im Garten? 
Nein, dass wollte Mama nicht. Mein Papa hätte sogar Lust dazu gehabt. Er hat uns immer viel unterstützt und meinen drei Jahre älteren Bruder und mich überhaupt zum BMX gebracht. Papa fand es immer geil und hat uns zu Weihnachten irgendwann ein BMX-Rad geschenkt. Es fing damit an, dass er von einer Dienstreise aus den USA eine BMX-DVD mitgebracht hat. Wir haben die gemeinsam gesehen und seit dem Tag wollte ich ein Bike haben. Ein Jahr später, ich war sechs Jahre alt, gab es dann eins zu Weihnachten. Mein Vater ist danach jedes Wochenende mit uns irgendwo hingefahren. 

Wie steht es um ein normales Fahrrad, kannst du damit überhaupt umgehen? 
Ganz gut sogar. Ich bin immer mit dem Rad zur Schule gefahren und fahre insgesamt sehr viel Fahrrad. 

Was würdest du jemandem mit auf den Weg geben, der sich beim BMX überhaupt nicht auskennt? 
Es ist wichtig zu wissen, dass wir BMXer das Fahren nicht strikt als Sport sehen. Wir fahren eher zusammen und haben Spaß dabei. 

Ist es ein Lebensgefühl?
Irgendwie schon, wobei sich das sehr groß anhört, aber ja, es ist eine Art Lifestyle. Es ist ein Sport ohne feste Regeln, die sagen, man muss jetzt dies oder jenes tun und in diesem Verein sein. Es ist ein freies Ding und das bleibt es auch, wenn es bei den Olympischen Spielen dabei ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es danach strenger zugehen wird. 

Wirst du, als jemand, der versucht, sich für Tokio 2020 zu qualifizieren, von den Kollegen, die dagegen sind, schief angeschaut? 
Manchmal schon. Manche fragen, wieso ich da mitmache und sind gegen die UCI (Internationale Radsport-Union/Red.), aber ich mag das nicht und muss das nicht haben. Es ändert nichts und es ändert sich auch nichts am BMXen. Es kommt nur eine neue Schiene dazu. Diejenigen die sich nicht dafür interessieren, werden es auch in Zukunft nicht tun und deshalb finde ich die Anti-Haltungen übertrieben. Ich finde die Olympischen Spiele geil. Mag sein, das BMX nicht 100 Prozent passend dafür ist, aber es ist doch schön, dass mal eine andere Sportart zu sehen ist. Danach wird sich jegliche Aufregung rund um das Thema auch wieder legen.

BMX Freestyle 2020 erstmals olympisch

Flensburg. BMX (Bicycle Moto Cross) feierte 2008 in Peking seine olympische Premiere. Und zwar die Race-Variante, also Rennen, bei denen es um Schnelligkeit geht. In einem Jahr, am 24. Juli 2020 beginnen in Tokio in Japan die Olympischen Sommerspiele und dann wird erstmals BMX Freestyle im Programm stehen. Neben Surfen und Klettern ist die BMX-Version mit spektakulären Sprüngen und Tricks eine der Sportarten, mit denen das IOC (Internationale Olympische Komitee) junge Menschen ansprechen und für die Spiele begeistern will. Doch was ist BMX Freestyle? Ein kleiner Blick in die Historie und die Tradition sowie einige Begrifflichkeitenkurz erklärt: 

Schon seit Mitte der 1980er Jahren hat sich der BMX-Sport als feste Größe innerhalb der Radsportarten in Deutschland etabliert. Seit 1982 wird es hierzulande wettkampfmäßig betrieben. Entwickelt wurde das BMX allerdings schon Ende der 1960er Jahren in - wie sollte es anders sein - den USA. »BMX« bezeichnet die Abkürzung für die englische Wendung »Bicycle Moto Cross«, wobei das X symbolisch für das »Cross«, zu deutsch »Kreuz« beziehungsweise »Überqueren« steht. Hauptmerkmal des BMX-Fahrrads sind die 20-Zoll-Räder, ein erhöhter Lenker und eine größere Speichenzahl als bei normalen Fahrrädern. Dadurch ist das BMX-Rad für Offroad- und Freestylestrecken besonders gut geeignet. Dank der Wendigkeit der BMX-Bauweise sind die unterschiedlichsten Tricks und Stunts möglich.BMX-Disziplinen: Aus dem ursprünglichen BMX-Sport entwickelten sich zwei Hauptdisziplinen, Race und Freestyle. Race ist, wie der Name sagt, die Rennsport-Variante. Die Rennen gestalteten sich mit Sprüngen, Hügeln und Buckelpisten nach Vorbild des großen Bruders, dem Motorrad-Cross. Freestyle die zweite ursprüngliche BMX-Disziplin, entwickelte sich etwas später als die Race-Variante. Bei ihr ging es nicht mehr um die Geschwindigkeit und um Rennstrategien. Freestyle ist der Akrobatik und dem Kunstradfahren entlehnt. Im Vordergrund stehen Tricks, Geschicklichkeits- und Gleichgewichtsübungen sowie Kunstsprünge. Beim Freestyle unterscheidet man die Disziplinen »Vert«, »Street«, »Flatland«, »Dirtjumps and Trails«, »Park« und »Miniramp«. Hauptsächlich unterscheiden sich diese Kategorien darin, dass die Tricks und Sprünge auf unterschiedlichem Belag, verschiedenen Hindernissen und Geländern ausgeübt werden. Von den Bewegungsabläufen her sind die Übergänge der diversen Teilbereiche eher fließend.

Ausgewählte Freestyle-Begriffe (von Wikipedia)

Spektakuläre Tricks und Sprünge gehören beim BMX Freestyle dazu. Foto: Sebas Romero/Red Bull Content Pool

Dirt Jump/Trails: In diesem Fall springen die Fahrer über Erdhügel und machen Tricks in der Luft. Die Fahrer fahren ohne Pegs (Grindstangen).


Flatland: Diese Art erinnert an Breakdance mit dem BMX-Rad, mit Ziel einer ästhetischen Abfolge verschiedenster spezieller Trickkombinationen auf der ebenen Fläche.

Miniramp: Gefahren wird in einer halfpipeähnlichen Konstruktion, die jedoch kleiner ist (ca. 1,5–3 m hoch). Im Gegensatz zur üblichen Halfpipe besitzt die Miniramp jedoch keine Vertikale.

Park: Gefahren wird auf einer eingegrenzten Fläche, auf der Rampen, Sprünge und andere Hindernisse aufgebaut sind. Die Reihenfolge, in der Hindernisse benutzt werden, ist nicht festgelegt. Der Park ist die organisierte Form des Street: Die wohl beliebteste Disziplin, in der auf allem gefahren wird, was man auf der Straße findet. Dazu gehören Treppengeländer, Kunstwerke und Hauswände.

Vert: Es wird in einer aus dem Skateboarding bekannten Halfpipe gefahren.

180° (One – Eighty): Drehung in der Luft um 180° um die eigene Achse mit anschließendem Rückwärtsfahren (Fakie)

360° (Three – Sixty): Drehung in der Luft um 360° um die eigene Achse

540° (Five – Fourty): Drehung in der Luft um 
540° um die eigene Achse mit anschließendem Rückwärtsfahren (Fakie), auch Drehungen um 720°, 900°, und sogar 1080° wurden schon vollführt.Air:Man springt mit beiden Rädern über die Coping hinaus und macht in der Luft dann einen 180°.

Ruwen Möller