Handball

Ansichten eines Professors

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24. Januar 2019, 08:30 Uhr

Kent-Harry Andersson macht Notitzen, wenn die norwegischen Nationalmannschaft spielt. Foto: Lars Salomonsen

Herning. In Flensburg ist er nach dem Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft 2004 als »König-Kent« in die Geschichtsbücher eingegangen. In seinem Heimatland haben sie dem Schweden Kent-Harry Andersson inzwischen den Spitznamen »Professor« verpasst. Passt irgendwie, denn Andersson, der bei der WM als Mentor der norwegischen Nationalmannschaft im Einsatz ist, kommt irgendwie als graue Eminenz des Turniers daher.


Der Altersweise, der im April seinen 70. Geburtstag feiert, war für uns genau der richtige um eine grundsätzliche WM-Analayse zu machen. Um am Dienstag zum Pressetreff der Norweger zu erscheinen, hat er sogar sein Mittagsschläfchen unterbrochen, ist hinterher aber »wieder aufs Sofa«, wie er sagte.

Flensborg Avis: Kent-Harry, wie geht es dir?


Kent-Harry Andersson: Gut, danke. Ich habe ein neues Kniegelenk, ich will wieder angreifen (der Schwede zeigt aufs Spielfeld und grinst dabei verstohlen). Du bist seit letzter Saison den Titel »einziger Meister-Trainer der SG« los, kannst du damit leben? Ja, endlich. Es hat lange gedauert, aber ich freue mich für Maik (Machulla/SG-Trainer) und den Verein.

Hat dich der Titelgewinn überrascht?

Am Ende war es überraschend weil die Rhein-Neckar Löwen so lange vorne waren. Aber die größere Überraschung ist, dass Flensburg mit seiner neuen Mannschaft wieder ganz oben steht.

Kommen wir auf die WM zu sprechen. Hast du neue Tendenzen im Welt-Handball entdeckt?

Ich habe mich natürlich hauptsächlich auf Norwegen und jeweils unseren nächsten Gegner konzentriert. Ich habe nicht alle anderen Mannschaften gesehen. Aber das was ich gesehen und gehört habe ist, dass es kaum etwas neues gibt. Wir versuchen mit Norwegen sehr schnellen Tempohandball zu spielen und haben damit seit drei Turnieren großen Erfolg. Es gibt Teams wie Schweden und Dänemark die ebenfalls versuchen mit viel Tempo zu spielen, aber ich finde kein Team macht es so konsequent wie Norwegen. Viele andere Teams nehmen Spezialistenwechsel zwischen Angriff und Abwehr vor, dass machen wir nicht und das ist ein großer Unterschied.

Geht der moderne Handball dahin, dass man keine Spezialistenwechsel mehr vornimmt?

Das wird sich erst am Ende zeigen. Vielleicht wird ein Team Weltmeister, das zwischen Abwehr und Angriff wechselt, dann haben sie es natürlich besser gemacht. Meistens schaut man auf den, der am Ende gewinnt und versucht diesem Team nachzueifern.

Die 7:6-Regel wird kaum genutzt. Zumindest die Topteams machen es eher wenig. Wie stehst du zu dieser taktischen Möglichkeit?

Es bedarf dafür einen Spieler mit einer extrem guten Übersicht. Wir haben mit Sander Sagosen einen und die Dänen mit Mikkel Hansen. Generell kann es aber nicht die Idee des Handballs sein, dass eine Mannschaft immer mit einem Spieler mehr und ohne Torwart spielt. Ich hoffe die Regel verschwindet wieder. Es macht auch keinen Spaß sich so ein Spiel anzusehen. Ein paar Minuten ist okay, aber ein ganzes Spiel nicht.

Welches Team hat dich bei der WM am meisten überrascht?

Ägypten. Sie haben eine wirklich gute Mannschaft und wurden zu unrecht von vielen unterschätzt. Sie haben sich gegen viele Topnationen wie Schweden, Dänemark und auch gegen uns gut verkauft. In zwei Jahren ist die WM dort und ich glaube, wenn sie ihre positive Entwicklung fortsetzen, werden sie schwer zu schlagen sein.

Die Top-Teams sind aber die üblichen Verdächtigen?

Ja. Es war klar, dass Dänemark, Schweden und Norwegen um den Halbfinaleinzug kämpfen. In der anderen Turnierhälfte haben es Frankreich und Deutschland geschafft. Die Deutschen haben mich ein wenig überrascht weil ich Spanien für die bessere Mannschaft halte, aber Deutschland hatte den Heimvorteil.

Viele Spieler haben sich bei der WM verletzt. Welche Lösung gibt es um das harte Spielprogramm zu entlasten?

Zu aller erst geht es nicht, dass wichtige Spiele an zwei Tagen hintereinander ausgetragen werden. Ich kann es jetzt sagen, weil wir einen Tag nach dem Sieg gegen Ägypten auch Schweden geschlagen haben. Hätten wir verloren, wäre ich mit so einer Aussage ein schlechter Verlierer gewesen. Aber so etwas ist Wahnsinn und darf nicht vorkommen. In der Hauptrunde muss immer ein Tag Pause sein und vor dem Halbfinale und Endspiel sogar zwei Tage, weil die Belastung im Laufe des Turniers immer größer wird. Es ist ja vor allem nervig für die Vereine, die die Spieler bezahlen, sie aber verletzt von den Turnieren zurückbekommen. Darüber muss unbedingt nachgedacht werden.

Ruwen Möller