Handball

Golla startet mit DHB-Team in Olympia-Mission

10. März 2020, 08:20 Uhr

Will eine Woche lang Gas geben: Johannes Golla aus Flensburg. Foto: dpa

Aschersleben. Die Anreise zum ersten Arbeitstag war für Alfred Gislason kurz. Nur eine Autostunde vom heimischen Hof in Wendgräben entfernt versammelte der Handball-Bundestrainer die DHB-Auswahl am Montag in Aschersleben zum Start in eine neue Ära. Beim fünftägigen Lehrgang mit dem abschließenden Länderspiel gegen die Niederlande am Freitag in Magdeburg will der 60 Jahre alte Nachfolger des Anfang Februar beurlaubten Christian Prokop erste Akzente setzen. 

»Wir wollen einiges testen und ich habe auch Ideen, wie ich das machen möchte«, kündigte Gislason an. »Ich habe ganz viel Bock darauf.« 

So ähnlich geht es auch Johannes Golla, dem einzigen Spieler der SG Flensburg-Handewitt im DHB-Kader. Am Sonntag nach dem 35:33-Sieg seines Teams bei den Füchsen Berlin sagte er: »Wenn man für die Nationalmannschaft nominiert ist, hat man immer Bock und auch die Kraft wird da sein. Ich will eine Woche lang Gas geben.« 

Sein Vereinstrainer Maik Machulla, der die Länderspiel-Woche auch dafür nutzen will, um den anderen SG-Akteuren ein paar Pausen zu geben, hofft, dass Gislason bei seiner Premiere nicht übertreibt und auch Golla und Co. etwas Erholung gewährt. 

»Alfred ist aber clever genug und kennt natürlich die Belastung, ich mache mir da keine Sorgen. Zumal der DHB vorab auch Leistungsdaten abgefragt und sich mit unserem Athletiktrainer auseinander gesetzt hat. So etwas freut mich, dass sie in diese Richtung denken.« 

Dennoch wird Gislason auch einige Schwerpunkte im Training setzen, denn viel Zeit bleibt dem Isländer nicht, den EM-Fünften für die Mitte April anstehende Olympia-Qualifikation fit zu machen. Nach eigener Aussage braucht er die aber auch gar nicht. 

»Aus 22 Jahren in der Bundesliga kenne ich alle Spieler sehr gut«, gab Gislason schon bei seiner offiziellen Vorstellung vor gut vier Wochen zu Protokoll. Seit seiner überraschenden und von allerlei Nebengeräuschen begleiteten Verpflichtung hat er sich mit Feuereifer in die neue Aufgabe gestürzt. Ausführliche Videoanalysen und intensive Gespräche mit Spielern und Vereinen standen zunächst auf dem Programm. 

»Ich will die Mannschaft sehr gut auf die Olympia-Qualifikation vorbereiten. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe«, sagte Gislason. Immerhin erwartet der Deutsche Handballbund von ihm schon bei den Sommerspielen in Tokio Edelmetall, das unter seinem Vorgänger zuletzt stets ausblieb. 

»Wir sehen mit Alfred Gislason größere Erfolgschancen als mit Christian Prokop«, hatte Präsidiumsmitglied Uwe Schwenker den Trainerwechsel nach der EM begründet. Gislason kann mit dieser Erwartungshaltung gut umgehen. »Ich habe Druck meistens als etwas Schönes empfunden«, sagte der frühere Erfolgstrainer des SC Magdeburg und des deutschen Rekordmeisters THW Kiel. 

Schwenker macht sich ebenfalls keine Sorgen. »Er ist ein Fels in der Brandung«, sagte der Liga-Boss über Gislason. Für den wird das Duell mit der Niederlande, bei denen die beiden EM-Fahrer und ehemaligen Flensburger Niels Versteijnen und Dani Baijens diesmal nicht im Kader stehen, am Freitag zu einer ersten Standortbestimmung. 

Richtig ernst wird es für ihn und die DHB-Auswahl erst fünf Wochen später in der Olympia-Ausscheidung gegen Rekord-Europameister Schweden, den EM-Vierten Slowenien und Algerien. 

Am Montag gab es eine Änderung im DHB-Kader: Marian Michalczik fällt wegen einer Wadenverletzung aus und wird durch seinen Mindener Vereinskollegen, den gebürtigen Flensburger Juri Knorr ersetzt. 

Gislason brennt auf die Aufgabe, nachdem er im Sommer 2019 von der Bundesliga-Bühne abgetreten war und sich um all die privaten Dinge gekümmert hatte, die in den Jahren zuvor liegen geblieben waren. »Ich habe 22 Jahre lang ohne Unterbrechung in der Bundesliga gearbeitet. Das ist eine unglaublich intensive Zeit gewesen. Ich bin froh, dass ich die Pause gemacht habe. Sie war sehr nötig«, sagte er über seine Auszeit. Doch der Wunsch nach einem Come­back stellte sich bei ihm schneller ein als gedacht. »Was ich nicht erwartet habe war, dass ich nach drei, vier Monaten die Schnauze voll davon hatte«, berichtete er. »Es hat richtig gejuckt. Ich habe gemerkt, welch großer Bestandteil meines Lebens der Handball ist.« 

Die neu gewonnene Energie will er auf die Mannschaft übertragen, in der er viel Potenzial sieht. »Wir haben ein Team, das langsam in die besten Jahre kommt«, sagte Gislason und blickte ungeduldig auf Freitag voraus: »Ich freue mich sehr, an meiner alten Wirkungsstätte in Magdeburg mein erstes Spiel als Bundestrainer für Deutschland zu machen.«

DHB beobachtet

Die Halle ist ausverkauft. Inwieweit angesichts der aktuellen Entwicklung im Sport in Bezug auf den Coronavirus gespielt wird und das vor Zuschauern, dazu teilte der DHB am Montagvormittag auf Anfrage noch mit: »Der Deutsche Handballbund beobachtet weiterhin aufmerksam die Lage. In Bezug auf die Organisation unserer Länderspiele und Sportveranstaltungen arbeiten wir, wie üblich, mit den zuständigen Behörden zusammen. Über die Bewertung der das Coronavirus betreffenden Lage und mögliche Maßnahmen entscheiden die zuständigen regionalen und lokalen Gesundheitsbehörden, wie Gesundheits- und Landratsämter vor Ort.«


Eine Aussage die sich am Abend bereits überholt hatte. Die Landeshauptstadt Magdeburg und das zuständige Gesundheits- und Veterinäramt untersagten ab sofort Konzerte, Sport- und andere Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Gästen. Damit schloss sich die Landeshauptstadt der Empfehlung des Bundesgesundheitsministeriums von Sonntagabend an. Davon betroffen ist auch das Handball-Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden.

„Als Handballer blutet mir das Herz, aber wir stellen uns als Deutscher Handballbund natürlich unserer gesellschaftlichen Verantwortung“, sagte Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes, in einer Verbandseigenen Pressemitteilung: „An oberster Stelle aller Überlegungen steht die Gesundheit von Zuschauern, Spielern und aller weiterer am Länderspiel beteiligter Personen. Wir werden uns nun mit dem Gesundheitsamt Magdeburg austauschen, um angesichts der neuen Lage eine bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden. Das Länderspiel gegen die Niederlande wird am Freitagabend weiterhin stattfinden." 

Die Frage bleibt nur in welchem Rahmen. Weitere Informationen hat der DHB für Dienstag angekündigt.

dpa/Ruwen Möller