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Sportartencheck: Rhönrad

24. November 2016, 13:05 Uhr

In der Fördehalle trainieren teilweise 20 Sportler gleichzeitig mit ihren Rhönrädern. (Fotos: Sebastian Iwersen)

Flensburg. Jo Russer hat das Rhönradturnen in Flensburg salonfähig gemacht und in die Weltspitze geführt. Und das hat der Norden den Inseln zu verdanken.

»Ich komme eigentlich aus Bayern. In den 80ern bin ich aber als Physiotherapeut auf den Inseln gelandet. Aber wenn man das Festland gewöhnt ist, will man schnell wieder dahin zurück. Ich bin oft nach Flensburg gefahren und habe mich schon damals in die Stadt verliebt«, erzählt der gelernte Physiotherapeut und Heilpraktiker, während er in seiner kleinen Praxis in Mürwik auf den nächsten Patienten wartet.

Die Anfänge

Alles angefangen hat vor vielen Jahren in Mühldorf am Inn. »Als ich 14 Jahre alt war, gab es bei uns nur das Rhönradturnen, was ich von zu Hause zu Fuß erreichen konnte. Da hatte ich das mal probiert und bin seitdem dabei geblieben«, erzählt der Spartenleiter, der jahrelang auch als Trainer tätig war. Der TSB Flensburg ist sicher dankbar für den Werdegang des jungen Russer, denn seitdem er 1990 die Abteilung aufgebaut hat, ist viel passiert.
»1987 haben wir in Glücksburg in der kleinen Halle trainiert. Die war bald viel zu klein. Da ich als Physiotherapeut bei den Handballern des TSB gearbeitet habe, hatte ich gute Kontakte nach Flensburg. Und 1990 sind wir dann in die Fördehalle umgezogen. Seitdem trainieren wir nun dort und haben inzwischen etwa 50 Räder in der Halle stehen«, schwelgt Russer in der Vergangenheit.

Aushängeschild

Große Erfolge konnten die TSB-Turner schon viele feiern. Seit den ersten Weltmeisterschaften 1995 bis jetzt waren die Flensburger das Aushängeschild für Deutschland. 27 Medaillen wurden bisher bei Weltmeisterschaften gewonnen.
»Seitdem es die Weltmeisterschaften gibt, waren wir immer mit zwei oder drei Teilnehmern dabei, in den letzten zehn Jahren haben wir auch immer mindestens einen Titel gewonnen«; erzählt Russer stolz und hofft nach ein paar »Flautenjahren« wieder vorne angreifen zu können:
»Zur Zeit haben wir etwa 65 Mitglieder zwischen sieben und 75 Jahren. Die meisten von ihnen sind Schüler. Im Leistungsbereich haben wir acht Mädchen und drei Jungs. Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr mindestens einen Teilnehmer bei den Deutschen Meisterschaften haben.

Nachwuchssorgen

Vor etwa dreißig Jahren hat eine Gruppe von Jungs mit dem Rhönradturnen angefangen und hat dann später viele Weltmeisterschaftstitel gewonnen. Die Männer sind aber jetzt über 40 und da können sie mit den Jungen nicht mehr mithalten.« Er erklärt: »Im Alter zwischen 16 und 22 Jahren turnt man in der Leistungsspitze. Dafür muss man aber auch mit spätestens sieben oder acht Jahren anfangen. Das ist in der heutigen Zeit oft ein Problem. Wenige Kinder haben noch die Ausdauer und den Ehrgeiz dreimal pro Woche zu trainieren. Oft spielen sie eben lieber mit ihrem Handy.« Aber der ehemalige Trainer weiß auch, mit Erfolg kommt der Spaß und mehr Erfolg.
»Rhönradturnen ist weltweit sehr familiär. Bei den Kreismeisterschaften sind zwar keine Zuschauer, aber wenn wir bei Veranstaltungen oder in Shows auftreten, dann ist das Publikum immer begeistert. Unsere Sportart ist im Showbusiness sehr verbreitet. Kaum ein Varieté oder Zirkus kommt ohne eine Rhönradnummer im Programm aus. Auch bei TV-Sendungen wie »Deutschland sucht den Superstar« begeistern Turner das Publikum«, erzählt der Übungsleiter, der selbst schon in der ganzen Welt mit seinen Sportlern und Rhönrädern unterwegs war. »Mein Highlight war wohl die WM 2013 in Chicago, aber auch die Reisen nach Russland, Israel, die Schweiz, Norwegen und Dänemark waren ein riesiges Erlebnis«, erzählt er.
Im Moment ist Saisonpause, aber trainiert wird trotzdem fleißig. »Wir trainieren jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Immer auf dem Plan stehen normales Bodenturnen, aber eben auch die Rhönrad-Disziplinen Spiraleturnen, Sprung und das Geradeturnen. Es kann gleichzeitig an 20 Rädern geturnt werden. Und wenn alle Sportler da sind, müssen wir schon aufpassen, dass es keine Unfälle gibt, aber das passiert zum Glück sehr selten«.

Zukunft gesichert

Ein paar Jahre will Jo Russer noch weiter machen, glaubt aber, dass die Zukunft der Sparte gesichert ist: »Viele meiner Sportler machen mit 16 oder 17 ihren Trainerschein. Schon jetzt haben wir gute Trainer und ich bin zuversichtlich, dass wir auch weiterhin zur deutschen Spitze gehören werden.« Zur Zeit ist die Abteilung ein kleines Familienunternehmen. Mutter und Sohn Christine und Christoph Clausen leiten gemeinsam mit Verena Botte, der Verlobten von Clausen, das Training. Und wenn sich Russer was wünschen dürfte, wären es mehr männliche Sportler, die Lust haben auf den anspruchsvollen Sport. Aber sonst ist er voll und ganz zufrieden mit seinen Rhönradturnern und dem Leben an der Förde.


Grit Jurack