EM 2020

Norwegen: Aus der Traum

Thomas Bleicher
24. Januar 2020, 20:45 Uhr

Sander Sagosen (l.) und seine Norweger wurden von den Kroaten um Marino Mamic gestoppt. Foto: Sascha Klahn

Stockholm. Es bleibt dabei: Bei Europameisterschaften muss Norwegen auf seine erste Final-Teilnahme warten. Nach zwei WM-Endspielen in Folge verpasste die Mannschaft von Trainer Christian Berge das Endspiel am Sonntag (16.30 Uhr). In einem hochdramatischen Halbfinale in der der Tele 2-Arena in Stockholm unterlagen die Nordmänner nach zweifacher Verlängerung mit 28:29 (10:12/23:23/26:26) gegen Kroatien. Während die Mannen vom Balkan um den ehemaligen DHK Flensborg-Spieler Hrvoje Horvat (Co-Trainer) weiter vom Gold träumen dürfen, müssen sich die Norweger um ihre Flensburg-Quartett mit dem Spiel um Platz drei begnügen. Die jeweiligen Gegner werden im zweiten Halbfinale am späten Freitagabend zwischen Titelverteidiger Spanien und Slowenien, um seinen Trainer Ljubomir Vranjes ermittelt.
Im mit 16.523 Zuschauern, darunter die Mehrzahl kroatische Fans, gut gefülltem Stockholmer Fußballstadion begann Norwegen wie gewohnt mit SG-Keeper Torbjørn Bergerud im Tor. Mit Magnus Jøndal stand ein zweiter Flensburger auf linksaußen in der Startformation. Auch ansonsten waren im Vergleich zum 33:30-Hauptrunden-Abschluss gegen Slowenien alle Stammspieler wieder mit von der Partie. Allen voran Sander Sagosen. Der Superstar der Norweger hatte mit seinen Nebenleuten von Anfang an einiges an Mühe gegen die unbequeme 5:1-Abwehr der Kroaten. Mit dem Kieler Domagoj Duvnjak auf der vorgezogenen Position zerstörte der Gegner geschickt den Positionsangriff der Norweger.

Immer wieder Bergerud

Zudem schaffte es Kroatien als erstes Team in diesem Turnier, Norwegen komplett seines Tempo-Handballs zu berauben. Die Norweger lagen die ganze Zeit zurück, blieben aber vor allem Dank der Paraden von Bergerud knapp dran. Direkt nach seiner Einwechslung gelang Gøran Johannessen (24.) das 9:10 aus Sicht seiner Farben. Nach zwei Holztreffern seiner Nebenleute scheiterte Johannessen bei seinem nächsten Versuch an Marin Sego. Der kroatische Keeper hatte vor der Pause eine fantastische Quote von 60 Prozent und lag damit noch vor Bergerud (40 Prozent). Nach den ersten 30 Minuten führte Kroatien mit 12:10.

Im zweiten Durchgang legten die Kroaten sogar bis auf 15:12 vor (35.), doch dann nahm der Norwegen-Express Fahrt auf und glich zum 15:15 aus (40.) aus. Bergerud hatte das 16:12 verhindert und hielt beim 16:16 erneut einen freien Wurf der Kroaten. Kurz drauf brachte Sagosen sein Team mit seinem sechsten Treffer erstmals wieder in Front (17:16/43.). Duvnjak und Co. schlugen schnell zurück und mitten in einer hitzigen Phase sah der ansonsten immer besonnene Berge die Gelbe Karte. Johannessen bekam kurz darauf eine Zweiminuten-Strafe aufgebrummt. Die Kroaten zwängten den Skandinaviern jetzt ihr emotionales und kampfbetontes Spiel auf.
Doch neben Sagosen waren es jetzt vor allem Johannessen und immer wieder Bergerud die Norwegen in die Spur brachten. Beim Stand von 21:21 hielt der SG-Keeper erneut im Eins-gegen-eins-Duell und seine Teamkollegen legten danach per Konter auf 22:21 (54.) vor.

Zweifache Verlängerung

In der Schlussphase wurde allerdings Kroatiens Torwart Matej Asanin zur unüberwindbaren Hürde für die Norweger. Erst hielt er einen Strafwurf gegen Sagosen, danach gegen Jøndal. In der letzten Spielminute gelang ihm allerdings von der Außenposition das 23:23. Kroatien nahm eine letzte Auszeit bei genau 59:39 Minuten gespielter Zeit. Genau wie die Norweger im Angriff zuvor, wagten auch die Kroaten jetzt das Spiel im 7 gegen 6. Der alles überragende Duvnjak nahm den letzten Wurf, blieb jedoch im Block von Christian O´ Sullivan hängen. Der Abpraller flog ins Aus - die reguläre Spielzeit war rum. Verlängerung stand an, zwei Mal fünf Minuten.
Die ersten Halbzeit ging 1:1 aus. Duvnjak und Sagosen, die sich direkt zu Spielbeginn innig und lange umarmt hatten, trafen für ihre Länder. Beim Spielstand von 24:24 ging es in die vorerst letzten fünf Minuten. Norwegen legte vor auf 26:25. Bergerud kassierte danach einen schweren Kopftreffer von Luka Stepancic. Danach leisteten sich die Kroaten einen Übertritt, Norwegen kam in Ballbesitz. Es gab kein Durchkommen und Johannessen musste einen Notwurf nehmen, Zeitspuel drohte. Zwei Sekunden vor Spielende gab es einen Siebenmeter für Kroatien. Duvnjak verwandelte mit seinem achten Tor sicher gegen Bergerud.
Die Partie war längst ein Wettschießen der beiden Superstars Sagosen und Duvnjak, wobei der Kroate in der zweiten Verlängerung zunächst auf der Bank blieb. Er spielte jetzt nur noch Abwehr.
Jøndal war es egal, er erhöhte auf 27:26 (73.). Der Krimi nahm jedoch kein Ende. Beim Stand von 28:28 wurden nun zum wirklich allerletzten Mal die Seiten gewechselt.
Beide Teams spielten und kämpften am absoluten Limit. Doch weder Norwegen noch Kroatien konnten die jeweiligen Fehler des anderen ausnutzen. Es gab zahlreiche Stürmerfouls und technische Fehler auf beiden Seiten. Bergerud hielt zwischendurch noch einmal das Remis für sein Team. Sagosen scheiterte an der Latte. Es war wie beim Schwergewichts-Boxen, die Gegner hingen aneinander und in den Seilen. Mit letzter Kraft holten sich die Kroaten den Ball und Zeljko Musa erzielte zwei Sekunden vor Spielende den Siegtreffer zum 29:28.
Damit steht auch fest, dass Deutschland in der Olympia-Qualifikation gegen Schweden und Portugal sowie den Sieger der Partie Angola und Algerien (Spiel um Platz drei bei der Afrika-Meisterschaft).

Ruwen Möller

Mehr zur EM in der Sonnabend-Ausgabe von Flensborg Avis.