Urlaubsgrüße, Gegenwartsanalyse und Zukunftsperspektive

Handball

14. Januar 2019, 07:16 Uhr

Tobias Reichmann war dabei, als Deutschland 2016 Europameister wurde. Archivfoto: dpa

Berlin. Nach dem Gala-Auftritt der deutschen Handballer beim 34:21-Sieg gegen Brasilien hat der vor der WM aussortierte Tobias Reichmann aus dem Florida-Urlaub Glückwünsche geschickt. »Geiles Spiel ihr Banausen. Macht weiter so«, schrieb der Rechtsaußen vom Bundesligisten MT Melsungen auf Instagram. »Scheint in der Arena schon geil zu sein.« 

Der 30-Jährige war kurz vor dem Beginn der Endrunde in Deutschland und Dänemark von Bundestrainer Christian Prokop aus dem 16-köpfigen WM-Aufgebot gestrichen worden und danach verärgert zu einem Kurztrip in die USA gereist. 

Dies hatte für einigen Wirbel gesorgt. Prokop hatte sich über den Urlaubstrip zunächst »verwundert« gezeigt. »Sicher steckt da auch ein bisschen Frust drin. Jeder muss selber sehen, was er für ein Zeichen setzt und wie er die Mannschaft unterstützt«, sagte Prokop nach dem 30:19 (17:10) zum WM-Auftakt gegen das vereinte Team Korea im ZDF. Er hatte zudem gesagt: »Meine gesamte Energie gilt den 16 Mann, die hier sind. Alles andere ist irrelevant.« 
Um die gute Stimmung im und rund um das Team nicht zu gefährden, versuchten andere aus dem DHB-Lager das Thema herunterzuspielen und nicht etwa über Konsequenzen zu sprechen.
 »Bei dem Schneechaos im Süden bist du aus den USA schneller wieder hier als aus Italien«, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning am Freitag in Berlin. »Tobi Reichmann ist ein Teil des Teams, ein Weltklassespieler«, meinte Torwart Silvio Heinevetter vor der Partie gegen Brasilien. »Dass er ein paar Tage wegfährt, ist auch okay.« Auch dass der Trip ins entfernte Amerika gehe sei ja heutzutage kein Problem, meinte Heinevetter, da man ja schnell wieder in Deutschland sein könne. Bereits am Donnerstag hatte DHB-Sportvorstand Axel Kromer Verständnis für Reichmanns Urlaub geäußert. 
Der frühere Nationalspieler Christian Schwarzer hingegen kritisierte Reichmann gegenüber »Spox« scharf: »Ich kann seine Verärgerung ein Stück weit verstehen. So kurz vor einer Heim-WM aus dem Kader genommen zu werden, ist mit Sicherheit keine schöne Sache. Aber so muss man nicht reagieren. Meine Art wäre das sicher nicht gewesen. Ich habe generell ein Problem mit diesen Reaktionen von Spielern über die sozialen Medien auf solche Themen«. 
Die Kreisläufer-Legende ging sogar noch weiter: »Ich denke, dass er sich damit seine Zukunft in der Nationalmannschaft verbaut hat. Ich weiß zwar nicht, wie Prokop auf solche Dinge reagiert, so richtig toll wird er es aber auch nicht finden. Ich kann mir vorstellen, dass Reichmann unter Prokop nicht mehr für Deutschland auflaufen wird. Wenn jetzt Groetzki etwas passieren sollte, ist der Bundestrainer auf dieser Position quasi nicht mehr handlungsfähig. Das ist, um es mal deutlich zu sagen, ganz beschissen gelaufen.« 
Das brisante Problem: Reichmann, einer der EM-Helden von 2016, hätte als Ersatzmann parat stehen sollen, falls Patrick Groetzki sich verletzt oder schwach spielt. Reichmann ist nämlich einer von lediglich zwei Rechtsaußen im 28er Kader der Nationalmannschaft. Nur aus diesem Pool darf der Bundestrainer Spieler nachnominieren. Und wie schnell sich jemand verletzten kann, hat Mitausrichter Dänemark gerade erst erlebt. 
Hans Lindberg wurde am Wochenende durch Johan Hansen ersetzt. Zwar hat Reichmann den Trip mit seinem Verein abgesprochen, doch auch aus Florida dauert die Rückreise einen Tag und er hätte im Fall der Fälle einen langen Flug in den Knochen. Ob er tatsächlich nochmal für Deutschland spielen will oder darf ist ungewiss. 
Wenn nicht, könnte Marius Steinhauser von der SG Flensburg-Handewitt demnächst ein Kandidat für das Nationalteam sein. Er ist einer der wenigen Deutschen bei einem Topclub der Liga. 
Steinhauser selber wollte sich nicht zu dem Thema äußern, Fakt ist aber: auch mit wenig Einsatzzeiten ist er erfolgreich und erfahren. Er hat drei Mal in Serie die Meisterschaft geholt (zwei Mal gemeinsam an der Seite von Groetzki mit den Rhein-Neckar Löwen und zuletzt mit der SG), steht aktuell mit der SG wieder an der Tabellenspitze und spielt seit Jahren in der Champions League. 
Weitere Namen könnten zudem aus dem erweiterten Kreis der Nationalmannschaft Tim Hornke (Lemgo) sowie aus der U21 Max Staar (Minden) und Dimitri Ignatov (Melsungen) sein. 
Am Montag gegen Russland (18 Uhr/live ARD) muss es Deutschland auf Rechtsaußen aber weiterhin mit Groetzki und ohne Urlauber Reichmann richten.

Ruwen Möller