Zwischen Tradition und Spitzensport

Sportschießen

23. März 2017, 00:01 Uhr

Kay Cardell schießt mit einem sechsschüssigen Vorderlader. (Fotos: Sven Geissler)

Die St. Nikolai Schützengilde liegt versteckt in den Wäldern an der Grenze zu Dänemark. Die Gilde, die Traditionen pflegt und Sportschützen trainiert, räumt mit Vorurteilen auf.


Flensburg. »Ich weiß, viele Leute verstehen das nicht und fragen immer, warum schießt du? Aber ich kann beim Schießen alles vergessen, sehe nur die Ringe und will so gut wie möglich sein«, erklärt Birte Staczak, die seit 2009 zweimal die Woche in der St. Nikolai Schützengilde schießt, aber auch die Mitglieder trainiert und die Sicherheit überwacht. Dafür hat sie eine Menge Zeit investiert. 
»In Deutschland gibt es die strengsten Vorschriften, was das Schießen mit und den Besitz von Waffen angeht. Ich habe unzählige Scheine, Urkunden und Zertifikate. Aber das ist in Ordnung, denn wir haben eben mit Munition und Waffen zu tun«, erklärt die gelernte Altenpflegerin und führt fort: »Wenn man bei uns in die Gilde eintreten will, muss man eine mindestens drei Monate lange Wartezeit in Kauf nehmen. Man muss in der Zeit zeigen, dass man es Ernst meint mit dem Schießen. Und wie gesagt, wir sind keine Jäger. Unser Ziel ist es, sich beim Schießen zu verbessern, sprich so viele Punkte wie möglich zu erreichen.«

Vielfalt Schießen

Sich verbessern kann man in einer der mehr als 50 Disziplinen, die es im Schießsport gibt. Da wäre das Luftgewehr, mit dem man ab 12 Jahren trainieren darf. Diese Disziplin ist über die Distanz von zehn Metern, neben acht anderen, olympisch. Des Weiteren gibt es verschiedenste Pistolen, Gewehre, Kaliber, Vorder- und Hinterlader, Munitionen und Entfernungen zum Ziel. Entscheidend ist aber, der Wille zur Konzentration, Ausdauer, der Wechsel zwischen Ent- und Anspannung und das Verständnis dazu, dass man als Sportschütze versucht, im Wettkampf mit seinen Gegnern und sich selbst, die höchste Punktzahl zu erreichen. »Wir führen Klubmeisterschaften durch und nehmen an Kreis-, Landes- oder gar Deutschen Meisterschaften teil. Unsere Schützin Claudia Gerds war sogar Deutsche Meisterin. Wir sind auf alle unsere Sportler sehr stolz«, sagt die 54-Jährige und erklärt auch gleich schmunzelnd, wieso sie Trainerin geworden ist: »Wie so oft, sagt man einmal ja und ist dann gleich die nächsten zehn Jahre Trainerin. Ich finde es toll, die Jugendlichen zu trainieren und bei den Wettkämpfen zu begleiten. Eigentlich darf man sie während des Wettkampfes nicht coachen. Aber die eine oder andere Verwarnung habe ich mir schon eingehandelt, weil ich hinter der Glasscheibe herum gehampelt bin, um meinen Kiddies zu helfen.«

Tradition

Der Verein hat aber nicht nur Sportschützen. Auch der traditionelle Teil einer Schützengilde ist Teil des Vereins, der etwa 90 Mitglieder hat. »Unsere aktiven Mitglieder sind zwischen 13 und 81 Jahren. Die Zahl schwankt immer etwas. Es ist eben nicht so, wie in einem Fußballverein, in dem man mal schnell wechseln kann. Wir haben sehr viele Regeln. Zum Beispiel muss man den Bedarf an einer Waffe nachweisen. Dafür muss man den Behörden in Flensburg mindestens 12 mal und im Kreis Schleswig-Flensburg mindestens 18 mal pro Jahr entsprechende Leistungen nachweisen, die in einem Schießbuch aufzuführen sind«, erklärt Ältermann Hanno Meins, der sehr stolz auf seine Gilde ist. Selbst ist er, wie Birte Staczak, in seine Funktion als Vereinsvorsitzender »reingerutscht«. Er bekleidet seine Funktion gerne und versucht, die Tradition mit dem Sportschießen zu vereinbaren: »Wir wollen und brauchen die Tradition im Verein. Dies zeigt sich beispielsweise im Königsschießen, das regelmäßig im Sommer durchgeführt wird. Ferner findet jedes Jahr im Sommer unser traditionelles »Schwarzpulverschießen« statt, bei dem wir uns wie im Amerikanischen Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert verkleiden. Aber auch das Sportschießen ist ein großer Teil unserer Gilde und die Jugend unsere Zukunft. Meine Aufgabe ist es, beidem gerecht zu werden und das will und werde ich, beispielsweise durch Neuerungen, wie unser Internetauftritt oder unsere Facebookseite. Darüber hinaus planen wir die Modernisierung unserer Schießstände durch elektronischen Zieleinrichtungen.«

Schwarzpulverschießen

Auch die Schützenmeisterin und Trainerin freut sich schon auf das Sommerevent und erzählt vom letzten Jahr: »Natürlich gibt es auch einen Wettkampf der Vorderladerschützen. Beim Schwarzpulverschießen ist es sehr laut und es müssen noch mehr Regeln eingehalten werden als beim normalen Schießen. Deswegen gibt es das nicht mehr so oft. Viele Schützen aus ganz Deutschland und sogar aus Dänemark kommen in der Zeit zu uns und zelten dann 14 Tage auf dem Gelände der Gilde.« Mit Zelten meint Staczak dann das Essen, Schlafen und Leben in Uniformen und Weißzelten wie vor fast 200 Jahren. »Wir sind da ja echt verrückt und verkleiden uns wie Siedler und leben wie diese in der damaligen Zeit. Das macht Riesenspaß«, erklärt sie.

Durch dick und dünn

Generell verbringt sie viel und gerne Zeit in Klues, wo die Gilde versteckt im Wald liegt. Mit ihrem Mann teilt sie das Hobby Sportschießen. Aber auch die anderen Mitglieder sind für die Schützin wie eine kleine Familie. »Schützen sind wie Brüder und Schwestern und teilen sich Freude und Sorgen. Wir haben in der Gilde arme und reiche, alte und junge Leute. Aber das spielt keine Rolle. Wir teilen ein gemeinsames Hobby«, freut sich Staczak über den Zusammenhalt und der ist auch wichtig, wie sie erklärt: »Wir wollen keine »Rambos für Arme« in der Gilde, die zum Ballern kommen, und wir wollen eigentlich auch unsere Ruhe. Wir sind Sportler und wollen unsere Leistung verbessern. Nicht mehr und nicht weniger. Leider haben wir in Deutschland einen sehr schlechten Ruf und werden oft als Mörder hingestellt. Die Wahrheit ist eine andere. Bei uns gibt es über 50 Disziplinen. Wir finden für jeden Sportler die richtige Waffe und Disziplin, um sich im sportlichen Wettkampf zu messen und verbessern.«


Grit Jurack 

UNSER SPORTARTENCHECK

Es muss nicht immer Fußball sein Sport bewegt. Den Körper, die Menschen, und das auf unterschiedlichste Art und Weise. Deutschland ist zwar Fußball-Land und Norddeutschland fest in den Händen des Handballsports, aber auch hier in der Region gibt es weit mehr als das. Der Norden ist in Bewegung. Zu Wasser, an Land oder in der Luft und präsentiert Spartensport auf Spitzenniveau. Jeden Donnerstag schreiben wir über eine andere Sportart, die von Menschen hier in der Region betrieben wird und berichten, was die Sportler an ihrem Sport begeistert und warum man ihn vielleicht selbst einmal ausprobieren sollte. Ihr wollt eure Sportart vorstellen? Dann schreibt uns eine Mail an: sport@fla.de.

 

RESUME

St. Nikolai Schützengilde ligger gemt i en skov tæt ved den danske grænse. Men klubben har ikke noget at gemme sig for. Den har en stor tradition, som bliver ekstra fejret hvert år med en »Schwarzpulverschießen«. Her lever deltagerne som settler (nybyggerne) for 200 år siden. Men klubben har også mange medlemmer, som dyrker skydning som sport. Skydning er olympisk i ni discipliner. En del af dem kan man lære hos Birte Staczak. Hun er selv skytte, men også træner for ung og gammel. 

- Det var en ven, som tog mig med til gildet og en tilfældighed, at jeg blev træner. Men jeg kan godt lide det og elsker at tage med de unge til konkurrencer. Jeg kan glemme alt andet mens jeg skyder og går efter at ramme endnu mere i midten, siger hun og fortsætter: 
- Hos os er alle, som ikke vil lege Rambo, velkommen. Vi er en idrætsgren med mange regler, og vi forventer stor disciplin.

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