Handball

»Natürlich haben wir mit Knudsen gesprochen«

Thomas Bleicher
26. August 2020, 10:59 Uhr

Michael V. Knudsen (l.) und Jacob Heinl kennen sich bestens als Teamkollegen aus früheren SG-Zeiten und als Gegner aus der dänischen Liga. Archivfoto

Flensburg/Silkeborg. Als sich Johannes Golla vor einigen Tagen verletzte, griffen Maik Machulla und Lars Christiansen zum Handy. Der Trainer der SG Flensburg-Handewitt schickte eine SMS an eine dänische Nummer und Christiansen (Head of sports of development) rief diese direkt an. Es war die Telefonnummer von Michael V. Knudsen. Die SG-Verantwortlichen erkundigten sich, ob der ehemalige Flensburger (2005 bis 2014) bereit wäre, zu helfen.

»Natürlich haben wir mit Knudsen gesprochen, sonst würden wir unsere Arbeit nicht gut machen. Ich habe ihm scherzhaft gesagt: wir kommen zu deiner Verabschiedung und du steigst danach direkt in unseren Mannschaftsbus«, so Machulla am Dienstagabend nach dem Test der SG bei Bjerringbro-Silkeborg Håndbold (BSH). Das erste Vorbereitungsspiel für Flensburg auf die Saison 2020/21 - gleichzeitig die erste Begegnung seit Beginn der Coronakrise überhaupt - bildete zugleich auch den Rahmen, für Knudsens Verasbschiedung als Spieler. Der 41-Jährige hatte seine Spielerlaufbahn in diesem Sommer für beendet erklärt und am 1. Juli den Posten des sportlichen Leiters bei BSH übernommen. Dies ist auch ein Grund, weshalb er der SG absagte und Machullas Sorgenfalten nicht weniger wurden.
»Ja, sie haben bei mir angefragt und ich habe mich sehr geehrt gefühlt«, bestätigte Knudsen die Anfrage. »Auch wenn ich einige Zeit benötigt habe, um darüber nachzudenken, so habe ich abgelehnt. Einerseits wäre es fantatsisch, noch einmal in der Flens-Arena einzulaufen und wenn ein Verein bei mir etwas auslöst und mich überreden könnte, dann die SG. Andererseits habe ich mich für mein Karriereende entschieden.«

»Es hätte gepasst mit ihm, doch er hat mir gesagt, dass es für ihn vorbei ist. Er möchte Zeit mit seiner Familie verbringen und freut sich über seine neue Aufgabe«, so Machulla, der Knudsens Entscheidung respektiert, sie aber ebenso bedauert. Dem SG-Coach, der noch selber an der Seite der dänischen Kreisläufer-Legende gespielt hat, ist derzeit nämlich gar nicht zum Scherzen zumute. 
Simon Hald, der nach überstandener Kreuzbandverletzung erst seit drei Wochen wieder mit dem Team trainiert, hatte er Dienstag ganz bewusst geschont und möchte das auch weiterhin tun. Machulla dazu: »Es wäre das Schlimmste, was wir jetzt tun könnten, wenn wir Simon zu früh wieder spielen lassen.«
Zu allem Überfluß schied in der 38. Minute allerdings auch noch Jacob Heinl verletzt aus. Dem Abwehrchef war ein Gegenspieler heftig seitlich ins Knie gefallen. Heinl stand zwar wieder auf, humpelte jedoch direkt in die Kabine.
»Es sieht gar nicht gut aus«, sagte Machulla hinterher. Eine genaue Diagnose steht jetzt aus.
Im Spiel war plötzlich nur noch Test-Kreisläufer Sergej Gorpishin dabei. Der junge Russe durfte im Angriff von Beginn an ran, erzielte auch drei Tore und spielte am Ende auch ein bisschen in der Defensive. Ob er den hohen Ansprüchen eines Top-Clubs wie der SG genügt, bleibt allerdings abzuwarten. Körperlich bringt er viel mit und nach nur einer Trainingseinheit mit dem Team, sowie einer Taktik-Schulung im Mannschaftsbus, durften wahrlich keine Wunderdinge von ihm erwartet werden. Dennoch wird er im Trainingslager ab Donnerstag noch einiges zeigen müssen, um die Verantwortlichen vollends von sich zu überzeugen.
Die nächste Chance dazu besteht am Donnerstag (19.30 Uhr) im Test bei GOG. Dorthin wechselte im Sommer Anders Zachariassen, ein Spieler, den die SG jetzt sicherlich gerne noch in den eigenen Reihen hätte. 
Denn eine kurzfristige Verpflichtung (oder möglicherweise zwei) muss passen. »Es ist ja nicht so, dass wir jetzt ganz viele Spieler anrufen, es muss Sinn machen und bei Knudsen wäre das der Fall gewesen«, erklärte Machulla und dachte dabei an Qualität, Sprachkenntnisse und die derzeit finanziell angespannte Lage. Der Coach erinnerte in dem Zusammenhang auch an den Herbst vor einem Jahr, als er mit dem Club in einer ähnlichen Notlage war. Nach dem Ausfall von Simon Hald, hatte Machulla damals als erstes zu Ex-Kapitän Tobias Karlsson, der kurz zuvor seine Karriere beendet hatte, Kontakt aufgenommen. Dies tat er sicherheitshalber auch jetzt wieder. Doch genau wie 2019, lehnte der Schwede auch diesmal dankend ab. Am Ende holte die SG seinerzeit Heinl zurück. 
Zu der Möglichkeit, ein Talent aus dem eigenen Nachwuchs zu rekrutieren, befand Machulla, dass der »Abstand noch zu groß sei«. Die beiden Kreisläufer Rune Hinrichsen und Torben Hübke haben während der Vorbereitung bereits bei den Profis mittrainiert. Ob Hinrichsen kurzfristig mit ins Trainingslager fährt, wollte der SG-Coach sich überlegen, gab jedoch zu bedenken: »es muss bei den Jungs auch immer mit der Schule zusammenpassen.«
So oder so steckte Machulla auf der Heimfahrt direkte die Köpfe mit Co-Trainer Mark Bult und Christiansen zusammen. Möglicherweise sprachen sie auch über den Gegner vom Dienstag, der mit René Toft Hansen, Jesper Nøddesbo, Alexander Lynggard und Klaus Thomsen am Kreis bzw. im Abwehr-Mittelblock überbesetzt scheint. 
Ein zweiter Anruf bei Knudsen dürfte für die SG-Verantwortlichen also eine Option sein. Entweder um ihn als sportlichen Leiter zu einem der aktuellen BSH-Akteure zu befragen oder ihn am Ende doch noch zu einem Comeback zu überreden.

Ruwen Möller