Melsungen-Coach Roth: »Wir sind kein Freiwild«
DHB-Pokal
Nickeligkeiten, Harz-Dose und fesselndes Handballspiel
Es waren zumindest immer mal wieder hitzige 60 Minuten vor den 4542 Zuschauern. Mit beleidigenden Gesängen, hart geführten Zweikämpfen, großen wie kleinen Nickeligkeiten, einer Harzdose auf dem Parkett, die der SG wohl ein Tor »raubte«. Und einem hochinteressanten Handballspiel.
Roth störte sich an den Rufen. »Hier wird ein Grundniveau verlassen. Das ist eine Spur zu viel. Es kann nicht sein, von der ersten bis zur letzten Minute beschimpft zu werden«, sagte der Ex-Nationalspieler und fuhr in ruhigem Tonfall fort: »Wir machen ein Bombenspiel. Dass eine Harzdose hinfällt, ist ja keine Absicht«. Woher die Aggressionen von den Rängen kommen? »Wir polarisieren auch, versuchen, uns zu wehren«, erklärt Michael Roth. »Wenn die Spieler überziehen, sollen sie ja auch bestraft werden. Wir sagen auch nicht, dass wir alles richtig machen. Auch die Müllers polarisieren. Doch da wo die Müllers stehen, fallen alle hin.«
Manager Geerken: »Sowas gehört sich nicht«
Blicke unter Trainern: SG-Chefcoach Ljubomir Vranjes (Mitte) und Melsungens Michael Roth. (Foto: Lars Salomonsen)
Bereits bevor Flensborg Avis Michael Roth in den Katakomben der Flens-Arena abfing, hatte der Coach auf der Pressekonferenz eine Lanze für seinen Kapitän Michael Müller gebrochen. »Ich habe selten einen Spieler erlebt, der so dermaßen den Arsch in der Hose hat. Ein großer Kämpfer. Er hat es verdient, erwähnt zu werden«, sagte Roth schnurstraks, als er im Presseraum zu Wort kam.
Neben ihm saß Melsungens Manager Axel Geerken. Und der wurde bei seinem Statement bereits in großer Runde deutlicher. Geerken: »Was da von den Zuschauern auf Michael und Philipp Müller zukommt ist nicht die feine Art. Das gehört sich nicht.«
Dierk Schmäschke, Geschäftsführer der gastgebenden SG, sagte nur Augenblicke später: »Ja, wir waren aufgeregt. Es gab Diskussionen in der Halbzeit. Ich kenne die Müllers auch privat sehr gut: das sind anständige Kerle.« Der SG-Manager zeigte sich überglücklich über das Weiterkommen. »Die Stimmung in der Halle war gigantisch. Das brauchen wir, um so ein Spiel zu drehen. Ich bin riesenfroh, dass wir unser erstes Saisonziel mit dem Einzug ins Final Four geschafft haben.«
Müller: »In Flensburg ist das normal«
Melsungens Michael Müller und Flensburgs Jacob Heinl am Boden - SG-Spieler Rasmus Lauge eilt mit dem Ball auf und davon. (Foto: Lars Salomonsen)
Philipp Müller, wie sein Zwillingsbruder Michael am 19. September 1984 in Würzburg geboren, stand rund 45 Minuten nach dem Abpfiff und einem beendeten Handy-Gespräch vor dem Mannschaftsbus der Melsungener. Ob er das in Flensburg oft erlebt? Was er bei den Pfiffen und Beleidigungen empfindet? »In Flensburg ist das normal. Das sind aber keine 6000 Leute, sondern ist ein Mob von vielleicht 15 Leuten«, antwortete Müller und fuhr fort. »Ich weiß nicht, was die Zuschauer hier in Flensburg für eine Eintrittskarte bezahlen. 15 Euro? 30 Euro? Ich weiß nicht, ob das dazu berechtigt, Menschen zu beleidigen. Wir haben uns den Ruf auch erarbeitet. Dabei war es heute doch eigentlich relativ safe. Und die Flensburger sind auch keine Unschuldslämmer. Dass wir das aushalten, zeigt unsere Moral. Das darf dich nicht beeinflussen, ist aber auf Dauer nervig. Heute haben wir nix gemacht. Ich denke, vielen Flensburgern ist das auch peinlich. Besser einen schlechten Namen als gar keinen«.
Statistik zum Spiel
SG - Melsungen32:28 (17:18)
• SG Flensburg-Handewitt: Andersson, Møller (ab 31., bei einem 7m) – Karlsson, Eggert 10/7, Glandorf 4, Mogensen, Svan 7, Jakobsson 2, Heinl, Toft Hansen 2, Gottfridsson 3, Lauge 3, Mahé 1.
• MT Melsungen: Sjöstrand, Villadsen (bei zwei 7m) – Maric 5, Sellin 3, Golla 1, Fahlgren, P. Müller 1, Boomhouwer, Rnic 1, Schneider 3, Allendorf 11/6, M. Müller 3, Jaanimaa, Haenen.
• Schiedsrichter: Behrens/Fasthoff (Düsseldorf).
• Zeitstrafen: 4:7
• Siebenmeter: 7/7:8/7 (Sellin scheitert an Andersson)
• Zuschauer: 4542