Die große Chance

Handball

03. Juni 2018, 10:41 Uhr

Rasmus Lauge (Nr. 25) und Lasse Svan (r.) wollen ihrem Landsmann, Mads Mensah Larsen, die Schale abjagen. Archivfoto

Das sportliche Schicksal der SG Flensburg-Handewitt ist auch in dieser Saison eng mit dem der Rhein-Neckar Löwen verknüpft. Ein Blick auf den Saisonverlauf.

Flensburg. »Am 4. Juni müssen alle zu ihren Nationalmannschaften. Da kämpfst du ein ganzes Jahr für so ein Ziel, und dann kannst du nur ein Bier trinken«, sagte Nikolaj Jacobsen nach dem 34:29-Sieg der Rhein-Neckar Löwen gegen den SC Magdeburg gegenüber dem »SWR«.

Damals - am 11. Mai - war die Welt der Mannheimer noch in Ordnung und angesichts von einem Punkt Vorsprung auf die SG Flensburg-Handewitt und des vermeintlich leichteren Restprogramms meinte der Löwen-Coach natürlich eine Meisterfeier, die wohl eher klein ausfallen dürfte, eben weil viele Spieler und er selber als Nationalcoach in Dänemark einen Tag nach dem Saisonfinale am 3. Juni bereits wieder international gefordert sind. Die Löwen-Welt steht seither jedoch auf dem Kopf, denn der Sieg gegen Magdeburg war der letzte in der Liga. Seither gab es für den zweifachen Titelverteidiger zwei Niederlagen und ein Remis. Statt nach dem ersten Pokalsieg der Vereinsgeschichte das »Double« einzufahren, mussten die Süddeutschen mit ansehen, wie die SG Flensburg-Handewitt an ihnen vorbeizog und jetzt die zweite Meisterschaft nach 2004 in der eigenen Hand hat. Mit einem Sieg am Sonntag gegen FA Göppingen holt sich die SG die Schale. Für die Norddeutschen wäre das die ultimative Krönung einer Saison, die in Wellen verlief und eng mit dem Schicksal der Löwen verknüpft war.

Gehen wir zurück zum Anfang oder sogar bis ans Ende der Vorsaison. Mit einer Heimniederlage gegen die Löwen verspielte die SG, in der Vorsaison der große Titelfavorit, ihre Meisterschaftschance. Während in Flensburg die Ära Vranjes endete, schien die der Löwen im gesamten deutschen Handball erst richtig zu beginnen. An der Förde wurde der Umbruch eingeläutet und bei den Südbadenern die Favoritenstellung ausgerufen. Mit dem neuen Coach Maik Machulla begann die SG mehr schlecht als recht, verlor von den ersten beiden Spielen zwei - sofort gab es Kritik. Da halfen auch Höhepunkte wie die Heimsiege gegen die Löwen und in der europäischen »Königsklasse« gegen Paris nicht. Immer wieder haderte die SG mit der schwachen Chancenverwertung.
Dennoch folgten elf Partien ohne Niederlage in der Liga. Dazwischen allerdings ein Tiefpunkt: das Achtelfinale-Aus im DHB-Pokal in eigener Halle gegen Berlin. Nachdem die SG sieben Mal in Folge im Pokal-Endspiel stand und dabei zuletzt immer die Löwen im Halbfinale geschlagen hatte, war der erste Titel der Saison frühzeitig futsch. Bald folgte auch noch der schwarze Dezember. Derby-Pleiten in der Liga und der Champions League gegen den Erzrivalen THW Kiel. Wieder Kritik, konnte das mit Machulla gut gehen?
Der blieb sich treu. Einer seiner Leitsätze: »Wenn wir unsere Spiele gewinnen, werden wir in der Tabelle klettern.«
Die SG siegte und siegte und siegte. In der Liga gab es nach der Winterpause im Jahr 2018 nur eine Niederlage in Magdeburg. Trotzdem blieben die Mannheimer vorne und dann auch noch das krachende SG-Aus in Montpellier in der Champions League. Wenige Tage später holten die Löwen erstmals den DHB-Pokal, auch oder vielleicht gerade weil der Weg im Semifinale diesmal nicht von der SG blockiert war. Im Nachhinein könnte der Pokalsieg die Mannheimer teuer zu stehen kommen. Gegen Magdeburg waren sie noch vom Adrenalin des Triumphes getragen, doch dann wurde der berühmte Stecker gezogen. Mentale und körperliche Leere machte sich bei Andy Schmid und Co breit. An dem Abend, als die Löwen Magdeburg schlugen, feierte die SG hingegen ihre handballerische Auferstehung mit einem Derbysieg in Kiel.
Danach hieß es von allen SG-Beteiligten: »Wir müssen auf Ausrutscher der Löwen warten. Es ist nicht realistisch, aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen und da sein, falls sich doch noch eine Chance auftut.«
Und die tat sich auf. Jetzt müssen die Flensburger am Sonntag nur noch zugreifen. Danach hätten sie nur noch ein Problem: Auch von der SG müssen Montag viele Spieler zur Nationalmannschaft und könnten daher wohl nur ein »Flens« trinken.

Ruwen Möller