Handball

Flensburg unter Druck

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Thomas Bleicher
06. Oktober 2019, 00:10 Uhr

Flensburgs Gøran Søgard Johannessen wollte gegen Hannover zu oft mit dem Kopf durch die Wand und scheiterte, wie viele seiner Mannschaftskollegen häufig mit Einzelaktionen. Foto: Tim Riediger

Flensburg. Normalerweise bittet Trainer Maik Machulla seine SG Flensburg-Handewitt unmittelbar nach Spielende in die Kabine, um eine Ansprache zu halten. Am Donnerstag, nach dem krachenden 20:26-Aus im Achtelfinale des DHB-Pokals dauerte es extrem lange, bevor der Coach seine Worte an das Team richten konnte. TV-Interviews, die - aus SG-Sicht belanglose - Auslosung zum Viertelfinale und die Pressekonferenz zogen sich hin. Co-Trainer Mark Bult wartete bereits auf seinen Chef. Die beiden steckten die Köpfe kurz zusammen und zogen dann die Kabinentür hinter sich zu. Kurz darauf kamen die ersten SG-Spieler mit finsteren Mienen heraus und verschwanden wortlos in die Nacht.  

Machulla wird und muss deutliche Worte gefunden haben, denn was die SG am Tag der Deutschen Einheit anbot, war phasenweise das Schwächste in seiner Amtszeit. Kopflos, unterirdisch, indiskutabel und schwach sind die Worte, die die SG-Leistung am ehesten beschreiben. 


Optimisten werden sagen: alles halb so wild, es ist Anfang Oktober und wie immer unter Machulla. Die SG ist nach einer Heimniederlage im Pokal-Achtelfinale ausgeschieden und wird wieder Meister (in der Saison 2017/18 übrigens auch mit fünf Minuspunkten zu Beginn). Doch so einfach ist die Handball-Gleichung nicht. Vor allem nicht in dieser Saison, in der die Leistungsdichte in der Liga so ausgeglichen wie nie ist. Und ganz besonders nicht, weil es einen gravierenden Unterschied zu den Pokal-Niederlagen gegen Berlin (2017) und Magdeburg (2018) gab. Zeigte die SG seinerzeit jeweils einen starken Pokalfight, war es gegen Hannover zwischen der 15. und 30. Spielminute ein Offenbarungseid. Die Abgänge von Rasmus Lauge sowie Tobias Karlsson sind noch lange nicht verkraftet und ohne Jim Gottfridsson, der einen Pferdekuss abbekam und eine Viertelstunde lang nicht mitwirken konnte, geht gar nichts. 

Es ehrt Machulla, dass er sagt: »Ich werde deswegen jetzt nicht den Stab über meine Spieler brechen«. Doch auch dem Meistertrainer sind die Probleme nicht verborgen geblieben und er wird wie angekündigt »Konsequenzen« aus dem Spiel bzw. den Spielen gegen »Die Recken« ziehen müssen. 

Innerhalb von einer Woche verlor sein Team zweimal gegen die aktuelle Mannschaft der Stunde. Vielspieler Magnus Rød ist ganz offensichtlich am Ende seiner Kräfte. Nach 45 Minuten wollte er ausgewechselt werden. »Er hatte dann aber eine tolle Bewegung im Angriff und ich habe ihn drauf gelassen. So etwas gibt nochmal Kräfte frei«, so Machulla, der ihn bis zum Ende spiele ließ, aber genau weiß, dass sein norwegischer Vizeweltmeister und der Rest im Rückraum mehr Pausen nötig haben. 

Nach seiner Schulter-OP im Sommer scheint Holger Glandorf aber immer noch keine Alternative für mehr Einsatzzeiten. Im linken Rückraum ist Gøran Johannessen derzeit der Vielspieler. Wenn etwas nicht gelingt, verliert er aber zu schnell die Geduld und will mit dem Kopf durch die Wand - Donnerstag war es die TSV-Abwehr. Sein Lernprozess ist noch lange nicht abgeschlossen und er muss vor allem cooler werden. 

Ähnlich sieht es bei Michal Jurecki aus. Der Neuzugang ist noch nicht integriert. »Er will zu viel«, so Machulla, der auch sagt: »Es geht nicht so schnell, dauert meist ein halbes Jahr bis ein neuer Mann, auch ein erfahrener Spieler wie Jurecki angekommen ist.« 

Dann wäre da noch Simon Jeppsson. Nach einer vielversprechenden Vorbereitung kann der Schwede bisher auch im dritten Jahr in den Pflichtspielen seine Zurückhaltung nicht ablegen. Meist trifft er die falsche Entscheidung. Er wirft, wenn ein Abspiel angebracht wäre und spielt ab, wenn sein zweifelsohne gefährlicher Torwurf zwingend erfolgen müsste. Bei seinem Tor zum 20:26 blitzte sein Können auf, doch da war längst alles zu spät. Ganz offensichtlich macht ihm sein Kopf einen Strich durch die eigene Rechnung. Immer wieder, so auch gegen Hannover, sehen seine Auftritte unglücklich aus und nagen an seinem ohnehin kaum vorhandenen Selbstvertrauen. 

»Die Lockerheit der Meisterteams haben wir derzeit nicht. Die Jungs fangen an nachzudenken und dann ist es schon zu spät. Wir dürfen deswegen jetzt aber nicht die Geduld verlieren. Wir haben es auch in den letzten zwei Jahren immer geschafft und werden auch diesmal Lösungen finden«, so Machulla, der nun mit gutem Coaching gefragt ist. 

Sorgen macht ihm allerdings, dass er kaum Zeit hat. »Der Spielplan meint es nicht gut mit uns, bereits am Sonntag geht es gegen die Füchse Berlin. Doch so ist es nun mal und das wollen wir auch nicht als Ausrede nehmen. Wir machen das seit Jahren. Es gilt aber, eine bessere Leistung zu zeigen.« 

Am Sonntag um 13.30 Uhr (live Sky) empfängt die SG die Berliner, derzeit Tabellenzweiter und im Pokal im Viertelfinale. Machulla will seine Spieler »wieder aufrichten« und ihnen »neue Energie« einhauchen, schließlich möchten die Flensburger nach dem Verpassen des ersten Saisonziels, dem DHB-Pokal Final4, ihre »weiteren Saisonziele verfolgen und erreichen«.

Ruwen Möller